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Archiv-Artikel

Florian, Deutschland: Alles ist möglich

BERLIN taz | Er will unterwegs sein, sich treiben lassen. In den nächsten Monaten ist Florian Berg mal drei Wochen hier, mal zwei Wochen dort. Zunächst noch Paris, wo der Deutsche seit sieben Jahren lebt. Danach Griechenland, Barcelona, Toulouse, Darmstadt, die Provence, Berlin, Brüssel, Los Angeles, San Francisco, New York, Nevada.

Was für andere purer Stress ist, ist für Florian Berg der reine Spaß. Er trifft Freunde, Bekannte, die Familie. Er verbringt die Nächte in Clubs und die Tage in Cafés und in Bibliotheken. Florian Berg ist das, was man einen Jetsetter nennt, einen Global Player: Für ihn gibt es keine Grenzen mehr. Weder regional noch ideell. Er spricht mehrere Sprachen, ist dort, wo es ihm gefällt und er macht, worauf er Lust hat. „Ich bin ein Gewinner der europäischen Idee“, sagt Berg.

Das ahnte der heute 31-Jährige nicht, als er sich vor elf Jahren von Dieburg aus, wo er groß wurde, aufmachte, in die Welt zu gehen. Er hatte gerade das Abitur in der Tasche und überlegt, was er tun könnte. Er wusste es nicht so genau. Er wusste nur, dass er raus wollte aus der hessischen Kleinstadt in der Nähe von Darmstadt. Obwohl er damals nur ein paar Brocken Schulfranzösisch sprach, schrieb er sich in einer Uni in Nizza ein, für Mathematik und Wirtschaft.

Er lernte Französisch auf der Straße, den Uni-Stoff auswendig und bestand seinen Bachelor mit sehr gut. Er heuerte in Paris bei einer großen Bank in der Forschungsabteilung an, die börsennotierten Unternehmen erklärt, wie sie Geld verdienen und trotzdem sozial und ökologisch sein können. Nebenbei promoviert er, unterrichtet als Privatdozent in Paris und in New York und fliegt durch die Welt. Berg sagt: „Ich habe das Gefühl, dass für mich alles möglich ist.“ Und er sagt auch: „Ich habe keine Angst, keinen Job zu finden.“

Am Tag trägt er Anzug mit Einstecktuch, nachts in den Clubs T-Shirt und ausgelatschte Schuhe. Er arbeitet viel und hart. Und lebt schnell und intensiv. Der Gedanke an Europa, das ihm dieses Leben ermöglicht, ist meist weit weg. Wahrscheinlich geht es ihm so wie manchen jungen Frauen mit der Frauenbewegung: Sie genießen ihre Erfolge – Erwerbstätigkeit, Kinder, wann sie wollen und so viele, wie sie wollen, Führungspositionen – aber sie denken nicht ständig darüber nach. Mitunter werden Männer wie Berg mit Argwohn betrachtet, gleichermaßen beneidet und belächelt für ihre Chancen, ihren Mut und ihr Hipstertum.

Solch ein Leben in Unstetigkeit und an vielen verschiedenen Plätzen hat seinen Preis: Liebe wird zum Abenteuer. „Ich rechne damit, eine Fernbeziehung zu leben“, sagt Berg. Er vielleicht in Madrid, sie möglicherweise in Hongkong. Familienleben ist so kaum machbar.

Deswegen muss das Leben im Flieger irgendwann vorbei sein, weiß Florian Berg. Zumindest für eine gewisse Zeit des Jahres.

Wo er dann leben wird, davon hat der junge Mann noch keine Vorstellung. „Das kann überall sein, ich bin geographisch nicht limitiert“, sagt Berg. Klar ist für ihn auch, dass seine Kinder – sollte er mal welche haben – , in internationalen Schulen unterrichtet und mehrsprachig aufwachsen sollen. „Sie sollen alle Möglichkeiten haben“, sagt Berg. So wie er selbst.

SIMONE SCHMOLLACK