: Körperlichkeit ist nicht gerecht
Die Krankenhaus-Serie „Dr. House“ (21.15 Uhr, RTL) stellt nicht nur immer neue Zuschauerrekorde auf:Sie ist auch ein Lichtblick in Sachen Risiko, Innovation und dramaturgischer Intelligenz im deutschen Fernsehen
Es gibt also Hoffnung. Bislang ließ die Behandlung von Qualitätsfernsehserien seitens deutscher Fernsehsender und Zuschauer oft zu wünschen übrig. „Sopranos“. Abgeschoben mitten in die Nacht. „Six Feet Under“. Vox brach die Ausstrahlung mitten in der Staffel ab; ein unvergessener barbarischer Akt, als würde man „Buddenbrooks“ einfach nach Hannos Taufe abschneiden. Quote und Qualität fielen offenbar auseinander.
Bei der Krankenhausserie „Dr. House“, immerhin, scheint sich das Blatt jetzt zu wenden. Woche für Woche verkünden die Fanseiten (www.drhouse.de) im Netz neue Zuschauerrekorde. Bei den 14- bis 49-Jährigen stehen die Quoten bei 25 Prozent. Risiko, Innovation und dramaturgische Intelligenz setzen sich eben doch durch, alle diese drei Eigenschaften zeichnen die Serie aus. Und so kann man darauf hoffen, dass nach den deutschen Fernsehzuschauern das auch die deutschen Serienentwickler bemerken (die, ach!, in deutschen Krankenhäusern echt mal wieder neue Ideen generieren könnten).
Das mit der Hoffnung hat bei „Dr. House“ aber auch seine ironische Seite. Hoffnung ist so ziemlich das Letzte, was man der Serie entnehmen kann. Aber nicht deswegen brauchte man – wie offenbar viele Zuschauer – etwas, um mit der Serie warm zu werden. Erst musste der Zynismus der von Hugh Laurie hoch eigenwillig gespielten Titelfigur verstanden werden. Es ging, merkte man bald, nicht einfach nur darum, diesen Dr. Greg House als Hochleistungszyniker vorzustellen. Allmählich schälte sich heraus, dass dieser Zynismus eine innovative dramaturgische Form ist, um Gefühle handhaben zu können.
Alle guten Krankenhausserien behandeln Trost, Bedürftigkeit, Schicksal. Die besten funktionieren als Memento mori: Sieh hin, dieser Unfall, dieser Verlust des Kindes kann auch dir passieren! Der Zynismus des Dr. House besteht darin, diese mit der Körperlichkeit des Menschen verbundenen Lebenstatsachen radikal zu akzeptieren – was die Serie von „M*A*S*H“ unterscheidet, wo der Zynismus die einzige vernünftige Form ist, das verrückte System einer Gesellschaft im Krieg zu überleben.
Man lernt bei „Dr. House“: Wer mit einem Krebsgeschwür noch ein Jahr zu leben hat, kann noch ein zweites Geschwür bekommen und schon nächste Woche sterben. Und es gibt einfach ganz fiese Krankheitserreger – bei „Dr. House“ lernt man einige davon kennen. Hühnerviren, die bei Menschen die Hände absterben lassen – ganz eklig. In vielen Krankenhausserien geht darauf die Sinnsuche los. In „Dr. House“ dagegen wird verhandelt, dass das Leben nicht gerecht ist und die Körperlichkeit erst recht nicht. Ihm selbst ist das klar, sein junges Team wehrt sich noch gegen die Erkenntnis. Das ist der Motor der Handlung, zusammen mit dem detektivischen Aufspüren der Krankheitsursache, die sich in jeder Episode auf neue vertrackte Weise verbirgt: Man kann ja auf so viele verschiedene Weisen todkrank werden!
Manchmal nutzen sie den Zynismus auch, um die Sentimentalität bis zum Äußersten zu steigern, etwa vor drei Wochen in der Folge mit dem 10-jährigen krebskranken Mädchen. Ob ihre Tapferkeit nur das Symptom eines Hirntumors sei, überlegt House eine Zeit lang, denn so tapfer könne bei diesen Schmerzen doch keiner sein. Am Ende eines aufreibenden Martyriums aber stellt sich heraus: Nein, ihre Tapferkeit war echt. Sie wird halt dennoch sterben. So etwas hielt man als Zuschauer nur mit einem Zyniker an seiner Seite aus.
DIRK KNIPPHALS