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Archiv-Artikel

Der Publikumsjoker

Streit um Jauch-Verträge: Bei der heutigen ARD-Hauptversammlung herrscht Uneinigkeit darüber, wie viel und welche Werbung der mögliche Nachfolger von Sabine Christiansen machen darf

Nach dem PR-Desaster rund um die Exklusivverträge mit Jan Ullrich und die umstrittene Vertragsverlängerung für Sportkoordinator Hagen Boßdorf scheint sich die ARD in Sachen Streitkultur wieder zu berappeln. Als die Intendanten im September über Boßdorfs Zukunft abstimmten, war der Dissens noch denkbar klein. WDR-Chef Fritz Pleitgen schwankte zwar lange Zeit, am Ende sprach sich aber nur RBB-Intendantin Dagmar Reim gegen die Vertragsverlängerung aus. Wenn sich die Hauptversammlung der ARD heute in München einfindet, geht es auch wieder um einen besonderen Kontrakt: Günther Jauch soll als Nachfolger von Sabine Christiansen für den Sonntagabend-Polittalk verpflichtet werden. Doch diesmal gibt es im Vorfeld der Abstimmung Streit – und manche Intendanten geben sich prinzipientreu wie lang nicht mehr.

Als Erster hatte Fritz Pleitgen vom WDR nach dem Jauch-Coup zu bedenken gegeben: „Eine Politiksendung und Werbung, das verträgt sich schlecht. Wir hatten schon vor kurzem in zwei prominenten Fällen Situationen, die nicht zu akzeptieren waren. Wir sind sensibilisiert.“ Im Sommer waren die öffentlich-rechtlichen Talker Reinhold Beckmann und Johannes B. Kerner in die Kritik geraten, weil sie in ihren Sendungen über Produkte und Dienstleistungen diskutierten, für die sie gleichzeitig Werbung machten. ARD und ZDF kündigten daraufhin an, künftige Werbeverträge strenger zu prüfen.

Nun hat MDR-Intendant Udo Reiter nachgeschoben: „Wer ein politisches Magazin in seiner so herausgehobenen Stellung moderiert, kann nicht gleichzeitig für Glücksspiele, Lebensversicherungen oder weiß der Teufel was Reklame machen“, machte er in der Bild am Sonntag Stimmung gegen allzu laxe Regelungen für den öffentlich-rechtlichen Heimkehrer. Und auch Pleitgen-Nachfolgerin Monika Piel ließ per Focus gezielt zur Hauptversammlung wissen, wie sie zur Causa Jauch steht: „Ich hätte keine Probleme mit Werbeverträgen von Jauch, wenn er in der ARD eine Quiz-Show moderierte. Aber bei journalistischen Formaten sehe ich das strikter.“

Ein generelles Werbeverbot für Jauch, wie es Vertreter der Rundfunkräte von WDR und NDR damals forderten, gilt mittlerweile aber als ausgeschlossen. Erst letzte Woche wurden einige Details aus den Entwürfen bekannt, die aufhorchen ließen: Nur im Einzelfall wolle man prüfen, welche Werbekooperationen zu Interessenkonflikten führen und damit die Glaubwürdigkeit der ARD beschädigen würden. Reklame für die Telekom, wie sie Jauch etwa betreibt, könnte laut Spiegel so durchaus als unzulässig eingestuft werden. Genaueres werden die ARD-Oberen aber auch erst heute erfahren. Dann präsentiert NDR-Intendant Jobst Plog, dessen Sender für „Sabine Christiansen“ verantwortlich zeichnet und der auch den Jauch-Wechsel eingefädelt hat, die ausformulierten Verträge.

Könnte der Deal mit Jauch also noch platzen? Auch aus anderen ARD-Anstalten ist zu hören, dass man die Verhandlungen für „völlig offen“ halte. Ob die ARD aber gerade am beliebtesten deutschen Fernsehmoderator ein Exempel statuiert, ist dennoch mehr als fraglich – gilt doch Jauch als Hoffnungsträger, der die fliehenden Zuschauer von „Sabine Christiansen“ wieder einfangen soll. Und PR-mäßig wäre ein geplatzter Wechsel wahrscheinlich noch katastrophaler als das damalige Festhalten an Boßdorf – auch wenn man diesmal gute Gründe hätte.

Hannah Pilarczyk