piwik no script img

Archiv-Artikel

Viel Freundlichkeit für Seine Heiligkeit

Am ersten Tag des Papstbesuchs in der Türkei stimmen Gast und Gastgeber versöhnliche Töne an. Der Papst habe sich gar für die EU-Mitgliedschaft der Türkei erwärmt – sagt der türkische Ministerpräsident. Heute Treffen mit Patriarch Bartholomäus I.

AUS ISTANBULJÜRGEN GOTTSCHLICH

Nach all der Aufregung im Vorfeld war der erste Tag des Papstbesuches in der Türkei geprägt von sich gegenseitig überbietender Herzlichkeit. Entgegen ursprünglichen Ankündigungen wurde Papst Benedikt XVI. von Ministerpräsident Erdogan direkt am Flugzeug in Empfang genommen und zu einem höflichen Meinungsaustausch in die Flughafen-VIP-Lounge gebeten. Eigentlicher Höhepunkt des ersten Besuchstages aber war das mit Spannung erwartete Treffen zwischen dem Besucher aus Rom und Ali Bardakoglu, dem Vorsitzenden der Religionsbehörde und obersten muslimischen Repräsentanten der Türkei. Sollte dem Papst nach seiner Regensburger Rede wirklich daran gelegen sein, Verletzungen zu heilen und sein anderes Verständnis des Islam darzulegen, dann war dies nun der Ort.

Um ja keine neuen Missverständnisse aufkommen zu lassen, hatten beide Religionsführer eine Rede vorbereitet, die sie vor den Kameras der Weltpresse verlasen. Bardakoglu insistierte, dass der Islam sehr wohl auf individueller, freier und rationaler Entscheidung für oder gegen ihn basiere, und Benedikt sprach vom gemeinsamen Glauben an einen Schöpfer und stellte so die Gemeinsamkeiten deutlich vor das Trennende. Wie sehr die Spannung auf beiden gelastet hatte, wurde am Ende der wechselseitigen Ansprachen deutlich, als sie sichtlich erleichtert die Bühne verließen.

Der demonstrative Drang zur Harmonie hatte sich schon zum Auftakt des Besuches bei dem Treffen mit Erdogan gezeigt. Schon der einleitende Smalltalk im Beisein der Fotografen war begleitet von einem Austausch von Geschenken und auch die Statements konnten kaum höflicher sein. Der Papst versicherte, wie begeistert er von der Türkei als Brücke zwischen den Kulturen sei, und Erdogan reihte ihn gleich mit ein in eine Initiative zur „Zusammenarbeit der Zivilisationen“, die er gemeinsam mit UN-Generalsekretär Annan und dem spanischen Ministerpräsidenten Zapatero gestartet hat.

Wenn man Erdogan glauben kann, der im Anschluss eine Pressekonferenz veranstaltete, hat der Papst auch hinter verschlossenen Türen nicht mit Freundlichkeiten gegeizt. Wichtigstes Statement von Benedikt XVI. sei gewesen: ja, auch er würde sich freuen, wenn die Türkei eines Tages Mitglied der EU sei. Hat der Papst tatsächlich einen Sinneswandel vollzogen oder ging es nur darum, in den vier Tagen, die der Türkeibesuch andauern wird, konsequent gute Stimmung zu verbreiten?

Wie jeder anständige Staatsbesucher in der Türkei ließ sich der Papst anschließend zum Atatürk-Mausoleum fahren, um den türkischen Republikgründer zu ehren. Einen Mann, der für Religion nicht viel übrig hatte und den Islam in der Türkei deshalb auch einer strengen Kontrolle unterwarf. Benedikt XVI. ließ sich von solch historischen Reminiszenzen jedoch nicht irritieren und verharrte eine gute Minute im stillen Gedenken.

Allerdings war der erste Tag in Ankara auch mehr fürs Protokoll, während die sensiblen Teile des Papst-Besuches erst am Mittwochabend in Istanbul beginnen. Dort wird Papst Benedikt XVI. mit dem Oberhaupt der orthodoxen Kirche, Patriarch Bartholomäus I. zusammentreffen. Dabei wird es sowohl um die weitere Annäherung von katholischer und orthodoxer Kirche gehen als auch um die Situation der christlichen Minderheiten in der Türkei. Erst dann wird sich zeigen, ob die Reise tatsächlich zur atmosphärischen Aufhellung zwischen Christentum und Islam sowie der Türkei und Europa beiträgt oder im Gegenteil die bestehenden Spannungen vertieft werden.