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Archiv-Artikel

Mehr als die Summe aller Summen

KASSENSTURZ Weit über eine halbe Milliarde Euro hat Real Madrid seit 2002 investiert, um zum zehnten Mal die Champions League zu gewinnen. Letztlich war es doch mehr als das Geld, das die Tore schoss

Die Leidenszeit in weißem Trauerflor ist vorbei. Zwölf Jahre nachdem Zinédine Zidane Real Madrid 2002 mit einem famosen Volleyschuss zum Champions-League-Titel geschossen hat, holen sich der Verein gegen den Stadtrivalen Atlético Madrid den wichtigsten Titel im europäischen Klubfußball.

Es waren zwölf Jahre, in denen Real Madrid rund 670 Millionen Euro mehr für Spielerkäufe ausgegeben hat, als durch Spielerverkäufe eingenommen wurde. Es kamen allein zwei teure Ronaldos – 2002 der brasilianische Stürmer von Inter Mailand für 45 Millionen Euro und 2009 Cristiano Ronaldo für 94 Millionen Euro von Manchester United. Von dort holte Real auch David Beckham für 37,5 Millionen, und für Kaká überwies man 2009 immerhin 65 Millionen Euro an den AC Mailand. Das entscheidende 2:1 in der Verlängerung köpfte schließlich Gareth Bale, der walisische 90-Millionen-Euro-Mann.

Jahr für Jahr lechzten die rund 90.000 Vereinsmitglieder der „Königlichen“ danach, endlich wieder auf Europas Thron zu sitzen. Fünf Präsidenten und zwölf Trainer nahmen seit 2002 Anlauf auf den Titel. Wie hoch das Madrider Anspruchsdenken ist, zeigt sich daran, dass Vincente del Bosque (2003), Fabio Capello (2007) und Bernd Schuster (2008) allesamt nach gewonnener spanischen Meisterschaft den Trainerposten räumen mussten.

Der einzige Club mit einer finanziell noch schlechteren Transferbilanz als Real ist der Chelsea FC aus London: Das Defizit der vergangenen zwölf Jahre beläuft sich auf über 780 Millionen Euro, geholt wurden unter anderem Fernando Torres (58,5 Millionen), Andrej Schwetschenko (46 Millionen) und Didier Drogba (37 Millionen). Zum Vergleich: Bei den Bayern beträgt das Transferdefizit im gleichen Zeitraum rund 313 Millionen Euro und Reals aufopferungsvoll kämpfender Finalgegner, und Stadtrivale Atlético hat seit 2002 lediglich 120 Millionen Euro mehr für Spieler ausgegeben als eingenommen. Die Beispiele von Chelsea und Real zeigen, dass es kein Automatismus ist, durch teure Transfers allein die Champions League zu gewinnen. Zwischen 2003 und 2007 etwa gab Chelseas Besitzer Roman Abramowitsch innerhalb von vier Jahren knapp 430 Millionen mehr für Spieler aus, als er in dieser Zeit durch Verkäufe einnahm. Durch den Titel belohnt wurde der große Kaufrausch aber erst 2012.

Und im Finale Madrid gegen Madrid hat mit Gareth Bale zwar der zweitteuerste Transfer der Geschichte zugeschlagen, doch mit den „Galaktischen“ von einst hatte das Real-Ensemble wenig zu tun. Es war vielleicht Tango, manchmal sogar Rap, aber zu keinem Moment Ballett, wenn die Weißen mit dem Ball tanzten. Sergio Ramos räumte hinten ab, was abzuräumen war, Luka Modric wirbelte im defensiven Mittelfeld und Angel di María und Gareth Bale sprinteten im Repeat-Modus in die Tiefe. Es waren nicht nur die Millionen auf dem Transfermarkt, sondern vor allem der von Carlo Ancelotti wiedererweckte Teamspirit, der Real Madrid in dieser Saison zum Titel verhalf. MORITZ FÖRSTER