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Archiv-Artikel

„Zu wenig präsent“

KINO Die jüdische Gemeinde setzt auf Leinwand und Podium, um öffentlich zu reflektieren

Grigori Pantijelew

■ 55, ist Musikwissenschaftler und im Vorstand der Jüdischen Gemeinde.

taz: Herr Pantijelew, wie kamen Sie auf den Gedanken, Filme über jüdische Identität im Kino zu zeigen?

Grigori Pantijelew: Die jüdische Gemeinde war jahrzehntelang ein abgeschirmtes Refugium, in dem die Überlebenden mit sich selbst beschäftigt waren. Heute arbeiten wir schon längere Zeit daran, die Gemeinde gegenüber der Stadt zu öffnen. Wir veranstalten Tage der offenen Tür, beteiligen uns an politischen und religiösen Dialogen, aber wir sind immer noch viel zu wenig in der Kultur der Stadt präsent. Diese Filme und die anschließenden Diskussionen sollen ein Beispiel dafür sein, dass sich das anders entwickelt.

Sie zeigen mit „Serious Man“ einen Film, der in einer kleinen jüdischen Gemeinde des Mittleren Westens spielt ...

Wir haben diese Story, die weit von uns entfernt spielt, gewählt, um Gegensätze deutlich zu machen. Dort ein turbulentes Leben, das im Vergleich zur Situation hierzulande sehr viel vitaler ist, mit inneren Zerrissenheiten und Problemen, aber eben auch Energien.

Anschließend diskutieren Sie mit Ihrem Rabbiner, Netanel Teitelbaum, über den Film. Geht es dabei auch um die Stellung des Rabbiners in der Gemeinde?

Ja – die ist in den USA viel stärker als hier, wo die Gemeindeführungen die Oberhand haben.

Zu der Sie auch gehören ...

Ja, aber für unsere Community wäre es viele besser, wenn die Rabbiner präsenter wären. Zumal, wenn es sich um eine so bereichernde und interessante Persönlichkeit wie Herrn Teitelbaum handelt. Die Diskussion nach dem Film wird übrigens die erste Möglichkeit für die nicht-jüdische Öffentlichkeit dieser Stadt sein, Herrn Teitelbaum etwas näher kennenzulernen.

Er ist doch schon seit drei Jahren Landesrabbiner!

Aber erst jetzt zieht er mit seiner Familie von Israel hierher – das stand lange sehr auf der Kippe. Bislang war er nur zehn Tage pro Monat in Bremen.

Über den Film „Ein ganz gewöhnlicher Jude“ von Oliver Hirschbiegel sagen Sie, er sei kitschig. Warum haben Sie ihn trotzdem ausgewählt?

Weil man auch aus negativen Beispielen lernen kann.

Ben Becker als Emanuel Goldfarb macht sich im Film Gedanken über seine „Sonderrolle“ als Jude in Deutschland, und kommt zu dem Schluss, diese abzulehnen. Darüber diskutieren Sie anschließend mit Elvira Noa. Aber ist es nicht ein bisschen zu intern, wenn der zweite Vorsitzende der Gemeinde die erste Vorsitzende interviewt?

Frau Noa und ich sind ein bewährtes Team, das mit Kontroversen nicht spart. Und das darf man dann ruhig auch mal öffentlich mitverfolgen.

INTERVIEW: HENNING BLEYL

„A Serious Man“ läuft Sonntag im City 46, „Ein ganz gewöhnlicher Jude“ am Montag, jeweils 19 Uhr