: „Ich will Politiker werden“
WAS KOMMT? Ugur Adigüzel ist 20 Jahre alt, seine Familie stammt aus der Türkei. Heute in zehn Jahren wäre er gerne ein bisschen so wie Cem Özdemir
■ Mit dem Jahreswechsel beginnt auch ein neues Jahrzehnt. Die taz nimmt das zum Anlass, gleich zehn Jahre vorauszuschauen. Wie wird Berlin sein im Jahr 2020? Wie wird sich die Stadt entwickeln? Wie und wo wird man wohnen? Werden wir von Touristen überrollt? Wird sich die Arbeit ohne Industrie ändern? Was wird aus den Bürgerbewegungen? Und was aus dem Verkehr? Wie entwickelt sich das Zusammenleben der Kulturen? Und die Kultur selbst?
■ Die taz hat sich umgeschaut, Experten gefragt – und ganz normale Berliner aller Altersklassen. Die Antworten präsentieren wir bis Anfang Januar in unserer Serie „Berlin 2020“. Ganz einfach ist so ein Ausblick in die Zukunft nie. Das zeigt auch unsere kleine Auswahl von Berlin-Utopien aus verschiedenen Zeiten, mit denen wir unserer Serie bebildern. (taz)
„Ich wäre in zehn Jahren gerne Politiker. Im höheren Bereich, vielleicht ein bisschen so wie Cem Özdemir. Der ist ja Parteichef bei den Grünen, und ich bin seit zwei Monaten auch Mitglied bei den Grünen. Ich interessiere mich für Politik. Umwelt, Integration, das sind Themen, die mir am Herzen liegen. Ich bin 100 Prozent gegen Atommüll, davon halte ich gar nichts.
Zurzeit gehe ich in die 12. Klasse der Otto-Hahn-Gesamtschule in Neukölln. Übernächsten Sommer mache ich Abitur. Das war eigentlich gar nicht geplant. Ursprünglich war ich auf einer Hauptschule. Als wir umzogen, wechselte ich auf eine Realschule, weil eine Lehrerin meinte, dass ich das auch schaffe. Ich machte den Mittleren Schulabschluss und wollte Polizist werden. Aber dann habe ich mir die Hand gebrochen. Das verheilt nicht mehr richtig, deshalb konnte ich am Aufnahmetest der Polizei nicht teilnehmen. Ein Freund meinte: Mach doch Abitur. Und das mache ich jetzt.
Ich will auch studieren, Politik oder Wirtschaft. Beides interessiert mich. Ich glaube, in den nächsten zehn Jahren wird sich viel verändern, auch in der Gesellschaft. Integration wird nicht mehr so ein großes Thema sein, denn die verschiedenen Gruppen werden sich stärker mischen. Es wird mehr Mischkinder geben, und dann sind die Grenzen nicht mehr so da. Die Diskussion über Integration wird sich auch verändern, weil es wegen des demografischen Wandels mehr Arbeitsplätze gibt. Viele Ältere gehen ja in Rente. Das ist auch für Migranten gut, die dann leichter Jobs bekommen.
Wenn ich kein Politiker werde, könnte ich mir auch vorstellen, etwas in Richtung Finanzen zu machen. Zum Beispiel in einer Bank arbeiten. Vielleicht werde ich mal Filialleiter? Da kann man sich schließlich auch hocharbeiten.
Und wenn dann alles stimmt, wenn ich mit der Schule fertig bin und einen Job habe, dann kann ich mir auch vorstellen zu heiraten und Kinder zu kriegen. Aber nicht mehr als zwei, das wäre mir sonst zu viel Stress. Immer so viele Leute auf einem Haufen, manche mögen das. Aber für mich ist das nichts.“ PROTOKOLL: ANTJE LANG-LENDORFF Foto: W. Borrs