: Die Kunst des Unternehmens
SAMMELN Das Kunstmuseum Bochum zeigt in „Out of the office“ Kunstwerke aus Unternehmenssammlungen aus dem Ruhrgebiet
VON MARKUS WECKESSER
Das Konzept stinkt nach Werbeveranstaltung: Ein öffentliches Museum stellt Kunstwerke privater Firmensammlungen aus dem Ruhrgebiet aus. Darunter womöglich die Pinselquälereien der Vorstandsgattin? Ist es ein offensichtlicher Versuch, angesichts drastischer Kürzungen in den Kulturetats, via Public Private Partnership eine Win-win-Situation zu schaffen? Dem ist nicht so. Das Kunstmuseum Bochum berief für „Out of the office“ ein Kuratorium zur Qualitätssicherung. Es präsentiert nun eine zwar eigenwillige, aber durchweg stimmige Schau mit Werken aller Gattungen aus dem 20. und 21. Jahrhundert, von Felix Conradmüller bis Per Kirkeby und Katharina Grosse. Die Unternehmensgalerie Ruhr.2010 ist ein Plädoyer für Kunstförderung in Zeiten leerer Kassen.
Zu Beginn der Ausstellungsvorbereitungen steckte die Wirtschaft bereits mitten in der Krise und einige Firmen sagten ihre Beteiligung ab. Wenn ein Betrieb Entlassungen, Kurzarbeit oder andere unpopuläre Maßnahmen umzusetzen habe, könne er nicht weiter in Kunst investieren. Solches Engagement schade dem Image, so die Begründungen. Ein paar Unternehmen waren finanziell derart in Bedrängnis, dass sie dem Museum ihre gesamte Sammlung zum Kauf anboten. Doch die Kuratoren wollten lediglich einzelne Stücke ausleihen.
Große Häuser beschäftigen für die Erweiterung, Inventarisierung und Präsentation ihrer Sammlungen Kunstexperten. Diesen Luxus können sich eine Arztpraxis oder ein kleines Architekturbüro nicht leisten. So wurden die Kuratoren bei ihrer Recherche mit unterschiedlich strukturierten Sammlungen konfrontiert. Schmückt die Kunst im einen Betrieb nur die Vorstandsetagen, stellen andere ihre Erwerbungen auch in den für die Kunden zugänglichen Bereichen aus. Moderne Kunst soll die Zeitgenossenschaft des Hauses bekräftigen und darauf verweisen, dass neben harter Profitorientierung soziale Werte auf der Agenda stehen.
Die Tradition von Osthaus
Damit stellen sich die Unternehmen bewusst in die Tradition von Karl Ernst Osthaus. Im Kulturhauptstadtjahr wird der Industriellenerbe und Kunstmäzen wie ein Säulenheiliger verehrt. 1902 gründete Osthaus in Hagen das Folkwang-Museum und machte die Industriestadt zeitweilig zu einem Zentrum der Moderne. Sein Bestreben galt der Verbindung von Kunst, Arbeit und Alltag. Zu dieser Zeit wurde das Ruhrgebiet vor allem durch die rasante industrielle Entwicklung geprägt. Vor der Säkularisation hatten nur die Damen des Essener Stifts Sakralkunst gesammelt. Danach war für Kunst kein Bedarf mehr. Ein an Kunst interessiertes und diese förderndes Bürgertum gab es hier nicht.
Bis heute wirkt der sogenannte Hagener Impuls nach. Wenn aber ein Unternehmen hofft, seine Mitarbeiter durch die Kunst zu Kreativität anzuregen oder ihnen Erholung zu spenden, kann es nicht unbedingt mit Gegenliebe rechnen. In der Raumgestaltung unterscheiden sich die Geschmäcker erheblich, wie die Serie von Joana Deltuvaité zeigt. Die litauische Künstlerin hat in den Büros der RWE AG Plastikfiguren fotografiert, die die Arbeitsplätze der Beschäftigten schmücken.
Mit einer Andachtsfigur der heiligen Barbara aus dem 19. Jahrhundert, der Schutzpatronin der Bergleute, und der Bronzeskulptur einer Bergarbeiterin startet die Ausstellung eher bieder. Letztere stammt von dem belgischen Bildhauer Constantin Meunier, einem Spezialisten für naturalistische Szenen aus der Welt der Arbeit. Umso bemerkenswerter ist die Diskrepanz zu den drei Fotografien von Richtern aus Botswana, die mit weißen Perücken, roter Robe und weißen Halsbinden posieren. Was mag nun gerade eine Steuerberatungsgesellschaft zum Kauf bewogen haben? Immerhin war sie gut beraten. Denn die Porträts von Pieter Hugo entstanden 2005, zwei Jahre bevor der südafrikanische Künstler mit Bildern von Männern und Hyänen international bekannt wurde.
Ein kleiner Schwerpunkt mit südafrikanischer Kunst ist der Augusta-Kranken-Anstalt zu verdanken. Die Arbeiten von Lionel Smit, Johann Louw und Vusi Khumalo zählen zu den Entdeckungen, weil sie eben nicht eindeutig auf den Tätigkeitsbereich des Unternehmens oder die Region verweisen. Denn es überrascht nicht, dass sich die Eon Ruhrgas AG für eine Collage begeistert, in die Kurt Schwitters einen Gas-Ablesezettel eingearbeitet hat. Auch die Vorliebe des Unternehmens für Bilder von Gaslaternen, sei es René Magrittes Gemälde „Das Reich der Lichter“ oder Markus Lüpertz’ „Die Verabredung“, ist verständlich.
Hingegen sind Bernd Finkeldeis Bilder von Einkaufswagen ebenso Auftragsarbeiten wie Georg Meistermanns „Große Schwinge“ und Damien Hirsts Installation „Apothecarys dream“. Der Brite bestückte vier Medizinschränke mit Arzneimitteln gegen Depressionen und Psychosen. Einige tragen Namen wie „Kutinex, Rheinpreußen“ und „Zalesopyrin, Zollverein“ und sind offensichtlich Fakes. Schön frech ist Hirsts Signatur im Stil des Bayer-Logos. Auftraggeber war nämlich die Franz Haniel & Cie. GmbH.
Da aus jedem Unternehmen nur wenige Exponate stammen, stört die ursprünglich monothematische Ausrichtung nicht. Nur über den Entstehungshintergrund der Sammlungen und den Kontext der Werke erfährt der Besucher nichts. Das ist das einzige Manko der Ausstellung. Immerhin sind Touren zur Kunst am Ort geplant.
■ Bis 6. Februar 2011, Kunstmuseum Bochum, Katalog ca. 20 Euro