Klage gegen Wahlrecht à la CDU

GAL, SPD und der Verein Mehr Demokratie reichen Verfassungsklagen gegen das CDU-Wahlgesetz ein. Das Vorgehen der Regierungsfraktion sowie die „Relevanzschwelle“ und die „Berlusconi-Klausel“ stehen auf dem Prüfstand

Die Fraktionen von SPD und GAL in der Bürgerschaft haben gestern Normenkontrollklage beim Hamburgischen Verfassungsgericht gegen das von der CDU im Alleingang durchgesetzte Wahlgesetz eingereicht. Gleichzeitig überbrachte auch die Wahlrechtsinitiative „Mehr Demokratie“ demselben Gericht einen Schriftsatz für eine Organklage, um das Gesetz zu kippen. „Wir tun alles, was in unserer Macht steht“, sagt SPD-Verfassungsexperte Andreas Dressel, „den CDU-Angriff auf das vom Volk durchgesetzte Wahlrecht abzuwehren.“

Dafür haben SPD, GAL und Mehr Demokratie geballten Sachverstand engagiert: Die Fraktionen von SPD und GAL vertritt der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Gottfried Mahrenholz, der jahrelang im Wahlrechtssenat in Karlsruhe saß. Mehr Demokratie wird von dem früheren Verfassungsrichter Jürgen Kühling vertreten.

In dem Verfassungsstreit wird es um drei Kernpunkte gehen: Darf die Bürgerschaftsmehrheit ein Gesetz ändern, das gegen ihren erklärten Willen vom Volk durchgesetzt worden ist, bevor es überhaupt einmal Anwendung gefunden hat? Verstößt die so genannte „Relevanzschwelle“ gegen verfassungsrechtliche Grundsätze, mit der die Möglichkeit, Wahlkreiskandidaten von den hinteren Listenplätzen nach vorn zu schieben, faktisch wieder abgeschafft wird? Und ist die so genannte „Belusconi-Klausel“ verfassungswidrig, durch die einer Partei bei bestimmten Konstellationen Zusatzmandate zum Erreichen der absoluten Mehrheit zugeschrieben werden?

In einem Punkt sind sich schon jetzt alle einig: Der Verfassungsstreit ist ein Präzedenzfall. „Es wird eine Entscheidung ohne Vorbild in der deutschen Parlaments- und Justizgeschichte“, sagt Kühling. Mahrenholz ist immer mehr von der Sache überzeugt, „je länger ich darüber nachdenke“. In Hamburg gebe es nun mal laut der Landesverfassung zwei gesetzgebende Organe: das Volk und die Bürgerschaft. Es könne nicht verfassungsgemäß sein, „wenn das Volk ein Gesetz beschließt, es mit einem Federstrich wieder vom Tisch zu fegen“. Das verstoße gegen die so genannte „Organtreue“.

Für Mehr Demokratie-Sprecher Manfred Brand widerspricht zudem das CDU-Vorgehen „jeder demokratischen Logik, wenn nicht die Wähler, sondern die Gewählten bestimmen, nach welchen Regeln sie gewählt werden“. So etwas lasse „man sich in keinem Schützenverein bieten“. Der GAL-Verfassungsexperte Farid Müller hofft, mit der Klage seiner Partei ein adäquates Gegenmittel gefunden zu haben: „Das Verfassungsgericht muss prüfen, ob das Volk so um seinen Volksentscheid betrogen werden darf.“ KAI VON APPEN