: „Sehr viel salonfähiger“
PSYCHE Das Norddeutsche Institut für Kurzzeittherapie hat 25. Geburtstag
■ 52, Psychologe, ist Mitbegründer des Norddeutschen Instituts für Kurzzeittherapie, dessen Mutterhaus in Bremen sitzt.
Sollten es bei der Therapie nicht um Inhalte und Konzepte gehen – statt um Schnelligkeit?
Manfred Vogt: Die Therapiedauer beträgt in den meisten Fällen zehn Sitzungen. Eine Kurzzeittherapie kann aber durchaus ein Jahr dauern. Im Grunde geht es um Entschleunigung, darum sich auf die wesentlichen Inhalte zu konzentrieren. Die Orientierung an den Zielen und der Zukunft des Klienten führt schließlich zu einer Verkürzung der Therapiedauer.
Welche Probleme kann man in zehn Stunden abarbeiten?
In der Kurzzeittherapie geht es nicht um das Abarbeiten von Problemen, sondern um das Hinzuarbeiten zu den Therapiezielen. Statt sich auf die Probleme und Defizite zu beziehen, konzentrieren wir uns auf die Stärken und Ressourcen des Klienten. Viele Menschen suchen nach relativ einfachen Lösungen, um bestimmte Themen in ihrem Alltag zu bewältigen und Lebenszufriedenheit zu erlangen.
Wenn ich eine Spinnenphobie habe, reichen zehn Stunden?
Sie kann in zehn Stunden sehr gut behandelt werden.
Und wenn ich depressiv bin?
Wenn Sie depressiv sind, werden wir gemeinsam therapeutische Ziele benennen, Ihre wahrgenommenen Stärken und Möglichkeiten aktivieren und versuchen, diese in Einklang mit Ihren Lebenserfahrungen therapeutisch zu nutzen.
Für die Krankenkassen ist Kurzzeittherapie ein wunderbares Sparmodell.
Diese Sichtweise gilt es bei den explodierenden Kosten im Gesundheitswesen durchaus ernsthaft zu prüfen. Es gibt endlose Therapieverläufe, deren Behandlungsergebnisse mitunter fragwürdig erscheinen. Jüngere Forschungsergebnisse aus Finnland bestätigen der Kurzzeittherapie ähnlich hohe Erfolge in der Behandlung von Ängsten und Depressionen wie sie auch mit Langzeittherapieverfahren erreicht werden.
Machen Sie es nicht denen schwer, die eine Psychoanalyse machen wollen?
Nein, wir machen es niemandem schwer. Wir bieten lediglich eine alternative Therapieform an.
Die Frage ist nur, ob die Krankenkasse einem die Psychoanalyse dann auch bezahlt.
Wer eine Psychoanalyse machen möchte, soll dies doch gern tun. Die Kurzzeittherapie nimmt andererseits in Zeiten pauschaler Kostenerstattungssysteme an Attraktivität zu.
Wie haben sich die Therapiethemen in den vergangenen 25 Jahren geändert?
Die zunehmende Individualisierung der Menschen, das zunehmende Auflösen der klassischen Familienstrukturen, der Wandel des Rollenverständnisses zwischen den Geschlechtern und die hohe Erwartungshaltung an Glücksempfinden führen zur zunehmender Verunsicherung der Menschen. Dies wiederum hat zur Folge, dass Beratung und Therapie viel häufiger niedrigschwellig in Form von Krisenintervention und zu aktuellen Problemlösungen angefragt werden. Die Therapie ist heute sehr viel salonfähiger, akzeptierter und selbstverständlicher geworden. Interview: Jan Zier