: Der Grenzgänger
Deutschlands bekanntester Stammzellforscher aus Bonn hat nun nicht mehr das Patent zum Klonen
Oliver Brüstle reißt seit Jahren ethische Mauern ein. Der Neurowissenschaftler an der Uni Bonn ist einer der populärsten Verfechter der embryonalen Stammzellforschung in Deutschland. Seine hartnäckigen Versuche, den umstrittenen Forschungsbereich hierzulande salonfähig zu machen, waren bisher recht erfolgreich. Bis gestern, als er damit erstmals richtig auf die Nase gefallen ist. Das Bundespatentgericht widerrief wesentliche Teile eines Patents Brüstles für ein Verfahren zur Züchtung neuronaler Stammzellen.
Anlass für das Verfahren war eine Klage von Greenpeace. Der Vorwurf: Brüstle ließe sich auch eine Methode zum Klonen von menschlichen Embryonen patentieren, was durch das Embryonenschutzgesetz und das Patentgesetz verboten ist. Das Gericht hat die entsprechenden Teile des Patents nun verworfen. Brüstle fühlt sich „völlig falsch verstanden“ und beteuert, sein Patent sei nur dazu da, um „Ersatzzellen“ für Gehirn und Rückenmark herzustellen.
Dass die Klage erfolgreich war, dürfte den Neurowissenschaftler wieder einmal in seiner Ansicht bestätigen, dass StammzellforscherInnen in Deutschland eine undankbare Rolle spielen. Schon vor dem Urteil fürchtete er, die Vorwürfe würden ein „forschungsfeindliches Klima in unserem Land“ erzeugen. „Das Gericht hat höhere moralische Standards angewandt als im Stammzellgesetz ohnehin schon enthalten sind“, kritisierte er gestern. Statt ethischer Einsprüche wünscht sich Brüstle endlich Anerkennung – etwa dafür, als erster deutscher Wissenschaftler nach langem Ringen 2002 die Erlaubnis für den Import embryonaler Stammzellen erhalten zu haben.
Seitdem leitet der 44-Jährige auch das Institut für Rekonstruktive Neurobiologie in Bonn. Nach seiner Berufung aus den USA in die Bundesrepublik hat er sich als einer der schärfsten Kritiker der Stichtagsregelung im hiesigen Stammzellgesetz hervorgetan. Die sieht vor, dass nur Stammzelllinien eingeführt werden dürfen, die vor dem Jahr 2002 gewonnen wurden, um menschliche Embryonen vor wirtschaftlicher Verwertung zu schützen. Aus den USA, wo Brüstle seit 1993 vier Jahre lang geforscht hat, ist er nur frisches Zellmaterial gewöhnt. Gegen den Widerruf seines Patents wird der Wissenschaftler Berufung beim Bundesgerichtshof einlegen. Es gibt noch viele Mauern, die er stürzen sehen will.
MORITZ SCHRÖDER