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Archiv-Artikel

Gegen den Angeklagten

Der Prozess eines Bankräubers gerät zur Verhandlung über einen Lebensstil, den das Gericht nicht billigen will

Von EE

Olaf G. ist jemand, dem sein Leben eher zustößt, als dass er selbst aktiv daran beteiligt ist. Das Taxifahren, einst als Studentenjob gedacht, wird dauerhaft zum Beruf. Er verdient kaum Geld, doch das ist egal, er braucht nicht viel. Erst als das Daddeln am Automaten sich zur Spielsucht entwickelt, als die Schulden sich häufen und ein Gläubiger Gewalt androht, erkennt Olaf G., dass er sein Leben nun selbst in die Hand nehmen muss.

Im Juni überfällt Olaf G. in St. Pauli seine Hausbank. Er tut es so unbeholfen, dass der Kassierer der Haspa-Filiale ihn zunächst „als einen Spinner abgetan hat“. Nur 1.100 Euro erbeutet er. „Das reicht“, ruft er dem Kassierer irgendwann zu, denn er will nur noch weg. Doch zuvor hatte er eine Kundin mit der Gaswaffe bedroht, und das wiegt schwer. Am Tag danach, nachdem er ein Foto seines vermummten Gesichtes in der Zeitung entdeckt hat, stellt sich Olaf G. selbst der Polizei.

Als wäre er nun, erschrocken über sich selbst, endlich aufgewacht, tut Olaf G., was er zuvor nicht hinbekommen hatte. Er meldet Insolvenz an und beginnt eine Therapie. Außerdem schreibt er einen Entschuldigungsbrief an die Kundin, die er „egoistisch in meine persönliche Misere reingezogen“ hat. Doch da ist die Vergangenheit, das Leben im „Laisser-faire“, wie der Vorsitzende des Hamburger Landgerichts abfällig sagt. Der kommt nur schwer damit zurecht, die Tat mit einem Leben erklären zu sollen, das er persönlich nicht billigen will. Warum hat der Angeklagte trotz Abitur keine Berufsausbildung? Warum hat er nur Teilzeit gearbeitet, wo man auch rund um die Uhr Geld verdienen kann? Warum ist er als dreifacher Vater nicht verheiratet? Olaf G. ist sogar bereit, über seinen Lebensstil zu diskutieren. Er bekennt, sich im nachhinein selbst über den Studienabbruch zu ärgern. Dann muss er sich noch vorhalten lassen, nicht erschüttert zu wirken, wenn er vom Verlust seiner Mutter erzählt. Die ist seit fast 30 Jahren tot.

Der Staatsanwalt mahnt, dass man bei Beurteilung eines solchen Falles „eigene Maßstäbe nicht anlegen kann“. Er verlangt daher nur eine Bewährungsstrafe für Olaf G. Die Kammer aber verurteilt den 43-Jährigen zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft. EE