verfassungsschutzgesetz : Die überschätzte Behörde
Gestern lag dem Landtag ein Änderungsgesetz vor, dass dem Verfassungsschutz ab Januar erlaubt, übers Internet private Computerfestplatten auszustöbern. Die Behörde braucht dazu keinen Richterbeschluss, es genügt die Zustimmung der G10, einer vom Landtag eingesetzten Kommission. Schlimmer noch: Die nach dem 11. September 2001 zur Abwehr des Terrorismus eingeführten erweiterten Rechte des Verfassungsschutzes beschränkt das Landesgesetz nicht auf Ermittlungen gegen fundamentalistische Gruppen. Besteht erheblicher Verdacht, kann es jeden treffen im Visier der Gesinnungsschnüffler – selbst die Linkspartei. Sind wir dem Überwachungsstaat gestern näher gekommen? Jein.
KOMMENTAR VON CHRISTOPH SCHURIAN
Tatsächlich stellt die Festplattenschnüffelei einen Eingriff in die Privatsphäre dar, die ja auch im virtuellen Raum geschützt sein muss. Tatsächlich hat das Innenministerium des scheinliberalen Ingo Wolf nur das Bankgeheimnis unter besonderen Schutz gestellt. Tatsächlich hat der Verfassungsschutz jetzt ein ziemlich scharfes Werkzeug in den Händen.
Und doch verbietet sich schrille Kritik: Der Verfassungsschutz in NRW ist eine überschätzte Behörde. Schon jetzt können die 200 Mitarbeiter im Land Telefonüberwachungen ansetzen. Doch pro Jahr machten sie nur zwei, dreimal davon Gebrauch – im gleichen Zeitraum ließ sich die Polizei in NRW 100 Abhöraktionen genehmigen. Die G-10 ist zwar kein Amtsrichter. Dass es in dem nach Proporz zusammengesetzten Rechtsanwaltsgremium leicht sei, eine Überwachung genehmigt zu bekommen, wird allenthalben verneint.
Nein, bedenklicher als die neuen Rechte des Verfassungsschutzes sind Bundesentscheidungen wie die Terrordatei, die Informationen aus Geheimdienst und Polizei bündelt oder die Offensive des Bundeskriminalamtes, das jetzt auch auf Festplatten zielt. Übrigens interessant, was die Parteifreunde des NRW-Innenministers dazu sagen: Es fehle eine Rechtsgrundlage.