: Notdienst ist gefragt wie nie
KINDERSCHUTZ Zahlen von Vernachlässigung unvermindert hoch. Ein Grund: die sensibilisierte Öffentlichkeit
Die Hotline des Kindernotdienstes ist gefragt wie nie. Dabei sind es nicht nur aufmerksame Anwohner, die die Nummer wählen, wenn sie ein Kind in ihrer Nachbarschaft in Not wähnen. Immer mehr Mitarbeiter von Schulen, Kitas, Krankenhäusern, freien Trägern und Ämtern holen sich bei der Hotline Rat. Die Sensibilität für das Thema sei immens gestiegen, sagt der stellvertretende Leiter des Kindernotdienstes, Uwe Bock-Leskien. „Das ist ein Superzeichen.“
Der Kindernotdienst ist rund um die Uhr unter der Nummer 61 00 66 zu erreichen. 2009 haben 941 Menschen die Hotline gewählt, 2010 wurden 1.247 Anrufe verzeichnet. Das ist eine Steigerung von über 30 Prozent. Mit einer Zunahme an Fällen von Kindesmisshandlung oder Vernachlässigung sei das nicht zu erklären, sagt Bock-Leskien. Die Zahlen der bekannt werdenden Fälle stiegen zwar auch stetig, aber nicht so drastisch. „Das hält sich im Rahmen der Entwicklung der letzten Jahre.“
Gezielte Öffentlichkeitskampagnen zum Thema Kinderschutz hatten Mitte der 2000er Jahre zu erhöhter Sensibilisierung und Zunahme der Anzeigenbereitschaft geführt. Die Folge war, dass die Fallzahlen in den Jahren 2005 bis 2007 sprunghaft anstiegen. Die Vielzahl der Meldungen erweckte den Eindruck, Kindesvernachlässigung habe in Berlin dramatisch zugenommen. Tatsächlich sind nur mehr Fälle aus dem Dunkel- ins Hellfeld gerückt. 2009 wurden 679 Fälle von Kindesmisshandlung angezeigt.
Die Polizei und der Kindernotdienst begleiten sich bei den Einsätzen zum Teil gegenseitig. Zum Beispiel an Heiligabend: Da ging beim Kindernotdienst der Hinweis auf ein Elternpaar mit einem vierjährigen Kind und zwei Kampfhunden ein. „Beim Stichwort Kampfhund bitten wir die Polizei um Unterstützung“, sagt Bock-Leskien, der an dem Abend persönlich im Einsatz war. In diesem Fall konnten die Polizisten jedoch bald wieder gehen. Vor Ort habe sich ihm das Bild „völlig überforderter Eltern und totaler Armut“ geboten, sagt Bock-Leskien. „Es gab nicht den kleinsten Eindruck von Weihnachten.“ Aber den Eltern das Kind wegzunehmen, sei nicht notwendig gewesen. „Sie waren total überfordert, haben das Kind emotional aber nicht vernachlässigt.“ Was Bock-Leskien tat, war Lebenmittel und Hilfe beim Bezirksamt für die Familie zu organisieren.
PLUTONIA PLARRE