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Archiv-Artikel

Gegen „schändliche Passivität“ in Darfur

Zum Internationalen Tag der Menschenrechte verstärken Aktivisten auch in Deutschland ihre Appelle zu einem Eingreifen gegen den „Völkermord“ in Darfur. Nächste Woche entscheidet der Bundestag über ein Bundeswehrmandat in Sudans Kriegsprovinz

„Wir dürfen nicht warten, bis ein Genozid stattfindet“

VON DOMINIC JOHNSON

Die Unfähigkeit der internationalen Gemeinschaft, etwas gegen die anhaltenden Massaker und Vertreibungen im sudanesischen Darfur zu unternehmen, steht im Mittelpunkt der Aktivitäten von Menschenrechtsorganisationen zum morgigen Internationalen Tag der Menschenrechte. In Berlin erinnerten Aktivisten der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfBV) gestern vor der Neuen Wache, wo der Opfer von Krieg und Faschismus in Deutschland gedacht wird, mit 4.000 aufgedruckten blutroten Händen auf Plakaten an die Opfer des „Völkermordes“ in Darfur. An der Aktion nahmen Genozidopfer aus Bosnien, Ruanda, Armenien und dem Südsudan teil, die hinterher im Bundeskanzleramt empfangen wurden. Sie appellierten an Bundeskanzlerin Angela Merkel, Darfur zu einem Schwerpunkt der deutschen EU-Präsidentschaft und G-8-Präsidentschaft 2007 zu machen. Weltweit wollen Menschenrechtler an diesem Wochenende einen zweiten „Global Day for Darfur“ abhalten, um ein internationales Eingreifen in der Kriegsregion im Sudan zu fordern.

Eine Gruppe prominenter Politikerinnen, darunter Exstaatsministerin Kerstin Müller und die Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte im Bundestag, Herta Däubler-Gmelin, forderte gestern in einem gemeinsamen Brief die „unverzügliche Entsendung einer internationalen Friedenstruppe mit robustem und effektivem Mandat“ nach Darfur. Am 29. November hatte der Menschenrechtsausschuss erstmals in einer von allen Fraktionen außer der Linkspartei getragenen Erklärung die Bundesregierung aufgefordert, sich für EU-Sanktionen gegen Sudan einzusetzen. Eine weitergehende Forderung nach deutscher Beteiligung an einer Eingreiftruppe wurde nach Angaben aus dem Ausschuss als „verfrüht“ abgelehnt. Die Verlängerung des bislang nicht ausgeschöpften Mandats für 200 Bundeswehrsoldaten in Darfur zur Unterstützung der AU-Truppe steht nächsten Freitag auf der Tagesordnung des Bundestages.

Die bisherigen Eingreifkonzepte in Darfur sind gescheitert, weil Sudans Regierung nicht nur eine UN-Blauhelmmission ablehnt, sondern auch den Kompromissvorschlag einer gemischten Friedenstruppe von UNO und Afrikanischer Union (AU). In dieser Woche haben die Spannungen in Darfur zugenommen, nachdem regierungstreue Janjaweed-Milizionäre in El Fasher, Hauptstadt der Provinz Nord-Darfur, Zivilisten angriffen und die UNO 134 ausländische Mitarbeiter aus der Stadt ausflog. Nach unabhängigen Schätzungen sind seit 2003 in Darfur mindestens 200.000 Menschen getötet worden. Über zwei Millionen Menschen, ein Drittel der Bevölkerung, wurde vertrieben.

Der scheidende UN-Generalsekretär Kofi Annan kritisierte gestern in New York in einer Rede anlässlich des Internationalen Tages der Menschenrechte die „schändliche Passivität“ der Staatengemeinschaft in Darfur. „Wir haben noch immer nicht das kollektive Gefühl von Dringlichkeit, das dieses Thema braucht“, hieß es in einem vorab verbreiteten Redetext. „Wir müssen mehr tun. Wir müssen die Schutzverantwortung (Responsibility To Protect) zu einer mächtigen internationalen Norm entwickeln, die nicht nur zitiert, sondern auch praktiziert wird, wann und wo auch immer es nötig ist. Vor allem dürfen wir nicht warten, bis ein Genozid tatsächlich stattfindet, denn dann ist es oft zu spät.“