: Ein Rücktritt reicht der CDU
Nach Äußerungen über „Schwuchteln“ und „Schuldkult“ tritt Henry Nitzsche als CDU-Kreisvorsitzender ab. Partei sieht keinen Anlass für weitere Konsequenzen
DRESDEN/BERLIN taz ■ Nach der Kritik an seinen Äußerungen über rot-grüne „Multikultischwuchteln“ und den „Schuldkult“ der Deutschen im Bezug auf ihre Vergangenheit ist der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche von seinem Amt als Kreisvorsitzender der CDU in Kamenz-Hoyerswerda zurückgetreten. Die Führung der Unions-Bundestagsfraktion in Berlin sieht jedoch weiter keinen Anlass für eigene Maßnahmen gegen den Abgeordneten.
Man habe Nitzsche bereits vor einer Woche „deutlich abgemahnt“ und ihm klargemacht, dass seine Äußerungen „inakzeptabel“ gewesen seien, sagte eine Fraktionssprecherin der taz. Nitzsche habe seine Rede bedauert; damit sei der Fall erledigt. „Wir gehen davon aus, dass sich so etwas nicht wiederholt.“ Die Lage habe sich durch die Entwicklung in Sachsen nicht geändert. Auf einer außerordentlichen Sitzung des Kreisvorstandes am Donnerstagabend in Hoyerswerda trat Nitzsche als Kreisvorsitzender zurück. Anlass waren seine jüngst bekanntgewordene Äußerungen. Nitzsche war jedoch zuvor schon mehrfach durch rechtspopulistische Ausfälle aufgefallen. Sein Rücktritt erfolgte erst auf heftigen öffentlichen und parteiinternen Druck hin. Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer war persönlich nach Hoyerswerda gereist. Auf die Kritik an seinen Äußerungen hatte Nitzsche zunächst mit einer zaghaften Erklärung auf seiner Homepage reagiert. Darin bedauert er die Missverständlichkeit seiner „absichtlich provokativ formulierten Worte“ und distanziert sich allgemein „von jeglichem rechtsradikalen Gedankengut“.
Auf der Kreisvorstandssitzung kämpfte der 47-Jährige hocherregt für seine Positionen und um seinen Posten. Teile des Kreisverbandes unterstützen ihn. Erst die Drohung mit einem Kreisparteitag, auf dem seine Abwahl gedroht hätte, bewegte Nitzsche zum Rücktritt. Die sächsische CDU-Führung mit Ministerpräsident Milbradt an der Spitze überließ dem Kreisverband jene klare Distanzierung, die man eigentlich von ihr erwartet hatte. Nitzsche habe „mit seinen wiederholten Entgleisungen dem Kreisverband enormen Schaden zugefügt“, heißt es in der Pressemitteilung. Man erwarte von Mandatsträgern, dass sie „nicht Stammtischparolen als Mittel der Politik verstehen“.
Nitzsche habe „eingesehen, dass die Partei ihm nicht folgt“, so Generalsekretär Kretschmer nach der Versammlung. „Damit ist jetzt ein Schlusspunkt gesetzt worden“, lehnte er jedoch weitergehende Forderungen ab, Nitzsche solle auch sein Bundestagsmandat niederlegen. „Dafür reicht es einfach nicht.“
In Dresdner CDU-Kreisen war zuvor zu hören, es wäre taktisch unklug und selbstzerstörerisch, ihn in die Rolle des Märtyrers zu drängen. Der Fall war von der sächsischen Union mit einer strikten Informationssperre belegt worden. Der Landtagsabgeordnete und Exkultusminister Matthias Rößler bestätigte jetzt der taz, dass ihm und der Parteispitze die vom 8. Juni stammenden Äußerungen Nitzsches bereits einen Tag später schriftlich vorlagen. Er wundere sich, dass die parteiinterne Klärung so lange gedauert habe. Rößler war der Hauptredner auf der fraglichen Veranstaltung im Juni. Im Vorjahr hatte er selbst den Anstoß zu einer Patriotismusdebatte gegeben. Diesem Anliegen aber schadeten Nitzsches „undiskutable Sprüche“, erklärte er nun.
M. BARTSCH, L.WALLRAFF