Liebling in Abwesenheit

Nach den rassistischen Beleidigungen gegen Thimothee Atouba gab es in der AOL-Arena viel Solidarität mit dem Kameruner. Seine Kollegen haben beim 0:0 gegen Nürnberg nicht überzeugt

VON CHRISTIAN GÖRTZEN

Der wiederentdeckte Liebling der Massen war gar nicht im Stadion. Er durfte ja auch nicht. Thimothee Atouba, Linksverteidiger aus Kamerun, wurde von der Führung des Hamburger SV für zwei Spiele suspendiert, nachdem es am Mittwoch im Champions-League-Heimspiel gegen ZSKA Moskau (3:2) zum Eklat gekommen war. Atouba war von den eigenen Fans ausgepfiffen worden. Ausdrücke wie „Nigger“, „Affe“ oder „Kanacke“ sollen einige Anhänger gerufen haben. Atouba hatte den HSV-Fans mehrfach den Mittelfinger gezeigt. Daraufhin flogen ihm volle Bierbecher entgegen.

Vor dem Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg, da flogen ihm die Herzen zu. Es gab Sympathiebekundungen und Solidaritätsbeteuerungen aus dem Publikum. „Atouba“-Sprechchöre wurden angestimmt. Auf einem Banner hieß es: „Atouba, wir stehen zu Dir“. Jene Fans, die Plakate mit der Aufschrift „1887% Atouba“ (1887 wurde der HSV gegründet) trugen, offenbarten zwar erschreckende Schwächen bei der Prozentrechnung, aber manchmal heiligt der Zweck eben die Mittel.

HSV-Vorstandschef Bernd Hoffmann hatte schon vor dem Spiel zu den Vorfällen Stellung genommen. „Wir dürfen nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Es gibt im HSV-Stadion kein Rassismus-Problem“, sagte er. Von „Einzelfällen“ sprach der Boss, „aber wenn wir diese Leute ermitteln, bekommen die sofort Stadionverbot“. Atouba hat sich in einem offenen Brief an die Fans für sein Verhalten entschuldigt. „Ich weiß, dass ich damit dem Verein und der Mannschaft großen Schaden zugefügt habe. Es tut mir sehr Leid, da ich in der Vergangenheit zu euch ein ganz besonderes Verhältnis hatte und ihr mich immer unterstützt habt“, heißt es dort. Es bleibt offensichtlich ein ganz besonderes Verhältnis.

Ohne den reuigen Sünder war die Vorstellung gegen die Remis-Könige der Bundesliga ein Rückschritt gegenüber dem couragierten Auftritt gegen Moskau. Ohne den gesperrten Mittelfeldregisseur Rafael van der Vaart mangelte es dem Spiel der Hamburger an Kreativität. Es zeigte sich einmal mehr, wie stark die HSV-Mannschaft von ihrem Kapitän abhängig ist.

Nürnberg war in der ersten Stunde die bessere von zwei schwachen Mannschaften. Robert Vittek bot sich in der 59. Minute die Chance zum 0:1, doch er schob den Ball am Tor vorbei. Zwar kam der HSV danach durch den 28-jährigen Bundesligadebütanten Volker Schmidt (61.) sowie durch Danijel Ljuboja (72.), Boubacar Sanogo (75.) und Joris Matijsen (90.) noch zu einigen guten Gelegenheiten, doch für eine Mannschaft, die auf Grund der Tabellensituation zum Siegen um jeden Preis verurteilt ist, war die Leistung insgesamt viel zu dürftig.

Auch nach 16 Spieltagen steht der einzige Club, der in 43 Jahren Bundesligageschichte nie zweitklassig war, auf einem Abstiegsplatz, drei Punkte hinter dem rettenden 15. Tabellenplatz. Für den seit Wochen in der Kritik stehenden HSV-Trainer Thomas Doll wird die Partie bei Alemannia Aachen am Sonnabend zu einem Endspiel um den Job. Verliert er, dürften seine Tage als Cheftrainer gezählt sein. „Was von außen an Kritik kommt, geht bei mir rechts rein und links wieder raus. Ich habe genug Vertrauen in mich“, sagt Doll. „Wichtig ist, dass ich ganz, ganz viel Kraft in mir verspüre.“

Vor dem Spiel in Aachen werde es keine Entscheidung geben, versicherte Bernd Hoffmann. „Wir haben schon vor Wochen gesagt, dass wir bis Weihnachten auf alle Fälle zusammenarbeiten werden. Nach dem Spiel in Aachen werden wir uns zusammensetzen und sehen, wie wir die Rückrunde angehen“, sagte er. Wirklich vertrauensvoll klingt das nicht mehr.