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Archiv-Artikel

Der Mann, der die Luft anhält

Es geht nicht darum, eine gute Figur zu machen wie beim Bodybuilding: Im Bankdrücken, der Königsdisziplin des Kraftsports, siegt, wer das meiste Gewicht stemmt. Jan Bast vom SV Buch ist darin Meister: in der Bundesliga, in Europa und in der Welt

„In der Nacht könnte ich ungestört alles Cremige auffuttern“, schwärmt Bast

von SONJA FAHRENHORST

„Huaagghhh!“ Lautes Gestöhne ertönt im Kraftsportheim des SV Buch: „Das ist ganz normal“, erklärt Jan Bast, Weltmeister im Bankdrücken, die Geräuschkulisse. „Manche trainieren eben so. Ich bin eher der Typ, der die Luft anhält.“

Bast liegt im schwarzen Trainingsanzug mit ordentlich gekämmten Haaren auf der Fitnessbank und erklärt mit sanfter Stimme, worum es in seiner Disziplin geht: Wichtig ist, dass Oberkörper und Po fest auf der Bank liegen, die Füße müssen flach auf dem Boden stehen. „Wenn der Schiedsrichter das Startsignal gibt, hebt man die Stange mit den Gewichten aus der Verankerung und drückt sie für etwa zwei Sekunden hoch über die Brust – etwa so.“

Die 50 Kilogramm, die Bast zur Veranschaulichung stemmt, scheinen für ihn ein Fliegengewicht zu sein. Kein Wunder: Erster Platz bei der Weltmeisterschaft in Ungarn, goldene Medaille bei den Europameisterschaften in Frankreich, Vereinssieg bei den Bundesligameisterschaften in Berlin-Buch. Bei den deutschen Meisterschaften in Rüsselsheim drückt er 270 Kilogramm und bricht damit den Weltrekord. Ohne Zweifel hat der 29-Jährige aus dem kleinen Ort Grimme bei Rostock, der in Einzel- und Mannschaftsdisziplin für den SV Buch startet, ein erfolgreiches Wettkampfjahr hinter sich.

Seine Karriere als Bankdrücker hat er in den frühen Jugendjahren begonnen. Nachdem er im Schulsport „Olympisches Ringen“ gelernt hatte, seine Kraft gezielt einzusetzen, beginnt er nach der Schule auf der Fitnessbank seines älteren Bruders mit Gewichten zu trainieren. Weil dieser ihn häufiger in den Fitnessclub mitnimmt, trainiert Bast bald auch regelmäßig dort. Bereits mit 16 Jahren nimmt er an Wettbewerben im Bankdrücken teil. In dieser „Königsdisziplin“ des Kraftsports, wie er sie nennt, werden alle Muskeln, Brust, Trizeps, Bauch und Rücken beansprucht.

Dennoch: Bankdrücken ist eine Randsportart. Die Preise bei einer Welt- oder Europameisterschaft belaufen sich auf nicht mehr als die obligatorische Urkunde, eine Medaille und den Gutschein über Nahrungsergänzungsmittel. In Frankreich bekam Bast mal eine Flasche Rotwein extra. „Das kann man natürlich als bitter bezeichnen“, sagt er. Aber die fehlenden Sponsorengelder haben für ihn auch etwas Positives: Die Teilnehmer starten aus Eigeninitiative und das Miteinander ist herzlich.

Für Bast ergibt sich die Randständigkeit des Sports vor allem daraus, dass er medial unattraktiv ist. Beim Bankdrücken wird nicht, wie beim Bodybuilding, auf die Figur geachtet. Hier geht es nur darum, möglichst viel Gewicht zu stemmen. „Aussehen ist hier total nebensächlich“, sagt er. Für ihn ist in erster Linie die Effektivität des Trainings wichtig. „Wer die Motivation und die Disziplin im Sport hat, der hat sie auch woanders“, das ist seine Lebenseinstellung.

Dass Bast aus seinem Sport eine Menge zieht, lässt sich an seinem Werdegang ablesen. Nach der Schule geht er für vier Jahre nach Oxford und studiert Maschinenbau. Auch das erste Berufsjahr verbringt er in England. Der Freunde wegen kehrt er zurück nach Deutschland und tritt, auf Anraten eines langjährigen Freundes, dem Verein SV Buch bei. Mittlerweile lebt und arbeitet Bast nahe Rostock, wo er mit seiner Freundin wohnt. In Berlin-Buch trifft man ihn vor allem während der Wettkampfvorbereitungsphase an.

In dem etwas in die Jahre gekommenen Plattenflachbau des SV Buch gibt es keine Saftbar mit Fitnessdrinks, hier wird trainiert, sonst nichts. Im Wettkampfjahr 2007 will Bast in einer höheren, der 100-Kilogramm-Gewichtsklasse starten. Schließlich will er den Weltmeister- oder Deutschlandtitel „nicht fünfmal verteidigen“, sondern lieber probieren „wie es sich anfühlt vier oder fünf Kilo mehr drauf zu haben“. Das trifft sich gut, denn durch den permanenten Muskelaufbau bekommt Bast langsam Probleme, sich in der 90-Kilo-Klasse zu halten.

Um seinem Körper die nötige Energiezufuhr zu geben, hat er sich angewöhnt, täglich große Mengen an Fleisch und Nudeln zu essen. Und jede Menge Kuchen, vor allem „cremige Teilchen.“ Seit seiner Kindheit träumt er davon, abends in einer Bäckerei eingeschlossen zu werden. „In der Nacht könnte ich dann ungestört alles Cremige auffuttern“, schwärmt er. Während der Winterpause muss Bast nun zusätzlich so genannte „Supplements“ trinken, Eiweißshakes mit Zucker, um möglichst schnell zuzunehmen.

Dass seine Freundin, die selbst Freizeit-Fitnesssport betreibt, ihn dabei unterstützt, weiß Bast zu schätzen. In etwa vier Jahren will er allerdings mit dem Wettkampftraining aufhören. „Länger möchte ich das meinem Körper nicht zumuten“, sagt Bast. Und dann heißt es: runtertrainieren und Familie gründen.