: Extrem giftig, lange haltbar und überall zu finden
DIOXIN Seit den 80er Jahren ist die Belastung deutlich zurückgegangen. Aber der Stoff ist schwer abbaubar
Berlin taz | Dioxin gilt als einer der gefährlichsten chemischen Stoffe überhaupt. Unter dem Oberbegriff wird eine ganze Gruppe von Stoffen zusammengefasst, die Dibenzo-para-Dioxine (PCDD) und polychlorierte Dibenzofurane (PCDF) heißen und Stoffgemische mit dem chemischen Element Chlor sind. Deshalb gilt Dioxin auch als Altlast der Chlorchemie, bei der in großindustriellem Maßstab Produkte wie PVC hergestellt werden. Es entsteht außerdem bei der Müllverbrennung und in der Metallindustrie.
Dioxine entwickeln sich bei Verbrennungsprozessen mit Chlor oder Kohlenstoff ab 300 Grad Celsius und werden bei Temperaturen ab 900 Grad wieder unschädlich; und sie sind eine Folge natürlicher Prozesse wie Vulkanausbrüche oder Waldbrände. Die Substanzen sind kaum wasserlöslich, lagern sich jedoch schnell in Fetten an. Daher sind sie im Boden schwer abbaubar und verbleiben lange in tierischen Fetten wie Eiern oder Milch, im menschlichen Körperfett und in der Muttermilch.
Berüchtigt sind Dioxine seit dem Chemieunfall im italienischen Seveso, wo 1976 ein Leck in einer Fabrik die Umgebung kontaminierte und bei den Anwohnern schwere Schäden wie zum Beispiel Chlorakne verursachte. Das „Seveso-Gift“ 2-3-7-8 TCDD ist das giftigste Dioxin und nach Versuchen 10-mal toxischer als das Mycotoxin aus Schimmelpilzen, 500-mal so gefährlich wie die Gifte Strychnin und Curare und 1.000-mal so giftig wie reines Nikotin. Dioxin war ebenfalls der Wirkstoff im Entlaubungsmittel „Agent Orange“, das die US-Luftwaffe im Vietnamkrieg flächendeckend einsetzte und dabei die dort lebende Bevölkerung vergiftete.
Im Vergleich zu den 80er Jahren ist die akute Belastung der Menschen massiv zurückgegangen: Neue Filteranlagen und Verordnungen – aber auch die Verlagerung der Industrien in andere Länder – haben dazu geführt, dass die Emissionen von Dioxin in Deutschland von 1990 bis 2004 von etwa 1.200 Gramm pro Jahr auf unter 100 Gramm zurückgegangen sind. Dennoch nimmt jeder Bundesbürger nach Messdaten des Umweltbundesamts (UBA) derzeit etwa 2 Picogramm (billionstel Gramm) pro Kilo Körpergewicht auf. Die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht ein bis vier Picogramm als unproblematisch an, die deutschen Behörden streben dagegen einen Wert von einem Picogramm an. Gestillte Säuglinge nehmen bis zu 57 Picogramm Dioxin auf, dennoch wird das Stillen von Experten empfohlen.
Heute ist klar, dass Dioxin neben Hautreizungen wie Chlorakne auch das Immun- und Nervensystem stören kann, ebenso den Hormonhaushalt und die Zeugungsfähigkeit, wie sich in Seveso zeigte. Dennoch ist die krebserregende Wirkung von Dioxin offenbar deutlich geringer als etwa bei Asbest, Radon oder Zigarettenrauch. BPO