: Betr.: Rufran
Hier im Camp haben alle meinen Geburtstag vergessen, sogar ich selbst. Das ist mir noch nie passiert. Geburtstag zu haben ist eigentlich das Beste, was es gibt. Na ja, meine Eltern hätten mir hier eh nichts schenken können, und ohne Geschenke ist ein Geburtstag auch nicht so gut. Ich war in der vierten Klasse, als wir fliehen mussten, weil Männer in unserem Viertel mit Gewehren aufeinander schossen. Dann wurde unsere Schule von einer Bombe getroffen und zerstört. Seitdem habe ich Angst, dass mehr Bomben fallen. Wenn ich nur wüsste, was mit meinen Freunden aus der Schule passiert ist. Ein paar von ihnen wohnen in einer anderen Siedlung hier im Libanon. Treffen können wir uns leider nicht. Zu Hause in Syrien habe ich immer ein Buch und einen Stift bei mir gehabt, weil ich gerne Gedichte schreibe. Meine Mutter erzählt mir immer, dass ich oft mit dem Buch auf der Brust eingeschlafen bin. Hier habe ich keine Bücher und Stifte, mir fällt auch schon lange nichts mehr ein, was ich aufschreiben könnte. In Syrien wollte ich Schriftstellerin werden, jetzt lieber Ärztin. Erst würde ich alle Kinder gesund machen, dann die Erwachsenen.
■ Rufran, 13 Jahre, aus Aleppo, lebt seit 14 Monaten im Flüchtlingslager Kfar Zabad, Libanon