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Archiv-Artikel

Schnüffeln auf Probe

Das Landesinnenministerium lässt sich vom Bundesgerichtshof nicht aus der Ruhe bringen. Trotz Vorbehalten aus Karlsruhe sollen sich NRW-Verfassungsschützer in Festplatten einhacken dürfen

VON MORITZ SCHRÖDER

Bei seinem geplanten Verfassungsschutzgesetz hatte Landesinnenminister Ingo Wolf (FDP) anscheinend keinen guten Spürsinn. Nun erklärte ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof das Verfahren der Online-Durchsuchung wegen Eingriffs in die Privatsphäre für illegal. Genau für dieses Verfahren hätte der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz laut Wolfs Entwurf statt einer Sonderbefugnis zur Terroristenjagd nach dem 11. September bald eine gesetzliche Erlaubnis. Das Ministerium will den Testballon trotzdem steigen lassen: „An dem Gesetzgebungsverfahren wird sich nichts ändern“, sagt Dagmar Pelzer, Sprecherin von Wolf. Das Verbot gelte nur für die Polizei, nicht für den Verfassungsschutz, der anders als die VerbrechensbekämpferInnen vorbeugend arbeite. „Das ist der zentrale Unterschied. Daher ist die Entscheidung für uns rechtlich nicht problematisch“, erklärt Pelzer. Auch für die Wohnraumüberwachung, den so genannten großen Lauschangriff, gelte das.

Karsten Rudolf, innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, fühlt sich durch das Karlsruher Urteil allerdings in seinen Befürchtungen bestätigt: „Wenn jemand meine Festplatte ausspäht, ist das so, als ob ein Dieb durch mein geöffnetes Fenster in die Wohnung einsteigt.“ Der Gesetzentwurf aus NRW berücksichtige den Schutz der Privatsphäre nicht. Daher sei die Entscheidung des Ermittlungsrichters vergleichbar mit der des Bundesverfassungsgerichts zum großen Lauschangriff. Das hatte 2004 gefordert, den Schutz von Privat- und Intimsphäre beim Abhören der Wohnung gesetzlich zu regeln.

Auch Bettina Gayk, Sprecherin der Landesdatenschutzbeauftragten Bettina Sokol, sieht den Schutz des Wohnraums zu wenig berücksichtigt: „Auch ein Ausspähen des Computers ist ein unverhältnismäßiger Eingriff.“ Der wiege sogar schwerer als das Abhören von Telefonen: „Es macht einen Unterschied, ob ich die Leitungen außerhalb der Wohnung abhöre oder mich auf die Festplatte im Computer einhacke“, warnt Gayk. Daher dürfe nur mit richterlicher Anordnung überwacht werden. Außerdem dürfe die Genehmigung nur bei einer akuten Gefährdung gegeben werde, etwa wenn ein terroristischer Anschlag geplant wird.

Nach dem Vorschlag von Innenminister Wolf müssten die Verfassungsschützer die Computerüberwachung bei ihm selbst und der Expertenkommission G 10 beantragen. Die Kommission, die es in allen Bundesländern gibt, würde entscheiden, ob das Ausspähen der Daten notwendig ist. Das Gremium setzt sich aus fachkundigen Landtagsabgeordneten zusammen.

Das NRW-Innenministerium lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Obwohl die Sonderbefugnisse der VerfassungsschützerInnen schon Ende des Jahres auslaufen, ist Wolf zuversichtlich, seinen Entwurf bei der letzten Lesung am 21. Dezember durchwinken zu können.