: Litauen verliert gegen seinen früheren Präsidenten Paksas
JUSTIZ Menschenrechtsgerichtshof: Dauerhafter Entzug des passiven Wahlrechts ist unzulässig
VON REINHARD WOLFF
STOCKHOLM taz | Rolandas Paksas hat Geschichte geschrieben. Als erstes europäisches Staatsoberhaupt der Neuzeit war der damalige litauische Präsident im April 2004 vom Parlament wegen angeblicher Verfassungsverstöße seines Amtes enthoben worden. Am Donnerstag verurteilte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (Az.: 34932/04) in Straßburg Litauen wegen der Verletzung grundlegender staatsbürgerlicher Rechte von Paksas: Diesem sei zu Unrecht das passive Wahlrecht entzogen worden.
Der 2003 ins Amt gewählte Paksas war abgesetzt worden, weil man ihm Geheimnisverrat vorgeworfen hatte. Zudem soll er einem russischen Geschäftsmann die litauische Staatsbürgerschaft zugeschanzt haben und auch sonst in illegale Geschäfte verwickelt gewesen sein.
Populär wie Paksas trotz alledem in weiten Teilen der Bevölkerung war, wäre es laut litauischer Verfassung aber nicht zu verhindern gewesen, dass er bei den danach fälligen Neuwahlen mit durchaus guten Erfolgsaussichten erneut für das Präsidentenamt kandidiert hätte. Um das zu verhindern, verabschiedete eine Parlamentsmehrheit eine „Lex Paksas“: Durch eine Änderung des Wahlgesetzes wurde einer durch Impeachment ihres Amtes enthobenen Person für die Dauer der folgenden fünf Jahre das passive Wahlrecht für die Präsidentenwahl aberkannt.
Dieses Gesetz erklärte das litauische Verfassungsgericht wegen seiner offenbaren speziellen Zielsetzung aber für verfassungswidrig. Daraufhin entzog die Seima in einem neuen Gesetz der fraglichen Personengruppe kurzerhand gänzlich und unbefristet das passive Wahlrecht für sämtliche politischen litauischen Ämter.
Damit schossen die Abgeordneten nach dem jetzigen Urteil des Straßburger Gerichtshofs über das Ziel hinaus. Zwar sei zur Aufrechterhaltung der demokratischen Ordnung eine derartige Sanktion grundsätzlich befristet vertretbar. Aber keinesfalls dürfe das passive Wahlrecht einer Person auf Lebenszeit entzogen werden. Eine finanzielle Entschädigung erhielt Paksas, mittlerweile EU-Parlamentarier, jedoch nicht. Die jetzige Entscheidung sei Genugtuung genug, meint das Gericht.