: Porsche greift nach VW-Lenkrad
Ab heute verhandelt der Europäische Gerichtshof das Volkswagen-Gesetz. Kurz zuvor macht Porsche-Chef Wiedeking seinen Machtanspruch bei Europas größtem Autobauer deutlich. Nicht wenige fürchten den Einfluss aus dem Süden
VON KAI SCHÖNEBERG
Autos bauen funktioniert nicht wie Plätzchenbacken, sagt Wendelin Wiedeking. Im VW-Aufsichtsrat demonstrierte der Chef von Porsche bereits anhand von Flipcharts und Grafiken, wie er sich die Arbeit bei Europas größtem Autobauer in Zukunft vorstellt.
Heute ab 9.30 Uhr startet vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg die Verhandlung über die Rechtssache C-112/05. Wenn die EU-Kommission mit ihrer Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen des VW-Gesetzes recht erhält, könnte Wiedeking seinem Ziel, das Lenkrad bei Volkswagen endgültig zu übernehmen, sehr nahe gekommen sein.
Die profitable Flitzer-Schmiede mit einer Produktion von knapp 100.000 Autos jährlich würde dann das Ruder beim schwankenden Auto-Riesen Volkswagen übernehmen, der in diesem Jahr über fünf Millionen Wagen herstellen wird. Das VW-Gesetz gehöre „abgeschafft“, sagte Wiedeking am Wochenende in einem wohlplatzierten Interview. Porsche hat das Land vor einem Jahr als größter Aktionär bei Volkswagen abgelöst und seine Beteiligung inzwischen auf 27,4 Prozent aufgestockt. Das Bundesland Niedersachsen hält 20,8 Prozent.
Die für vier Milliarden Euro erworbenen Stimmrechte kann Porsche aber nur voll ausüben, wenn das VW-Gesetz kippt.
Die EuGH-Richter wollen bis zum Sommer klären, ob das Gesetz aus dem Jahr 1960 mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. Es räumt dem Land Niedersachsen eine besondere Stellung bei VW ein: Kein Anteilseigner kann danach mehr als 20 Prozent der Stimmrechte ausüben, auch wenn er mehr VW-Aktien besitzt.
Er habe nichts dagegen, wenn der Staat sich an „kommunalen Gas- oder Wasserwerken“ beteiligt, sagte Wiedeking. Aber als Volkswagen-Aufsichtsrat brauche man „ein hohes Maß an Sachkompetenz“ – offensichtlich fehlt ihm die bei den beiden Landesvertretern Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) und Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP).
Während die Kommission argumentiert, das VW-Gesetz hindere den freien Kapitalverkehr, betont die Landesregierung, der Porsche-Einstieg beweise genau das Gegenteil. Zudem will sie weiter Einfluss auf die rund 90.000 VW-Jobs im Land behalten – bislang ist es laut VW-Gesetz faktisch unmöglich, gegen das Land Standortverlagerungen zu beschließen. Fällt das Gesetz, könnten die Geschicke VWs künftig nicht mehr am Mittellandkanal, sondern in Stuttgart-Zuffenhausen bestimmt werden. Oder, noch schlimmer: von Salzburg aus. Hier residiert der langjährige VW-Chef und Noch-Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piech, dessen Familie zusammen mit dem Porsche-Clan auch in Zuffenhausen das Sagen hat.
Mit der Inthronisierung von Martin Winterkorn und Gefolge an der VW-Spitze zeigte Piech erst vor wenigen Wochen, wer in Wolfsburg wirklich die Hosen anhat.
Tatsächlich kooperieren die Autobauer seit langem: Der VW-Porsche 914 aus den 70er Jahren ist Legende, derzeit werden der Porsche-Geländewagen Touareg und der VW-Cayenne auf der gleichen Plattform montiert. Ab 2009 sollen die Karossen für den viersitzigen Porsche Panamera im VW-Werk in Hannover gebaut werden.
Dennoch fürchten nicht wenige den Einfluss aus dem Süden. Der VW-Betriebsrat hat sogar schon das Kanzleramt um Schützenhilfe angefunkt. „Wir möchten Sie bitten, gemeinsam mit Ihren Kabinettskollegen auch weiterhin alles zu unternehmen“, damit der EuGH die Klage zurückweise, schrieb der Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh. „Nachdrücklich“, antwortete Angela Merkel, wolle sie sich „dafür einsetzen, dass das VW-Gesetz in seiner bisherigen Form bestand hat.“
„Eines Tages“, sagt Osterloh, könne sich ja auch Porsche „entscheiden, sich von ihrer Beteiligung an Volkswagen zu trennen“ – an so genannte Heuschrecken. Wiedeking spricht hingegen von einem „langfristigem Engagement“.