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Archiv-Artikel

Der Märchenheld

JOHN BOEHNER Karriere vom Kellner zum Millionär. Nun führt Boehner das Repräsentantenhaus

„Zur Hölle, nein!“, war der Kampfschrei, der den Republikaner John Boehner bei einer Debatte über die Gesundheitsreform zum Helden seiner konservativen Partei machte

WASHINGTON taz | John Boehner ist ein Mann des Volkes. Er kann fluchen, er kann weinen. „Zur Hölle, nein!“, war der Kampfschrei, der den Republikaner bei einer Debatte über die Gesundheitsreform zum Helden seiner Partei machte. Und wenige Monate später flossen Tränen. So angerührt war der Familienvater aus Ohio, als die Wähler ihn im November 2010 vom Fraktionschef zum Mehrheitsführer der Konservativen im Parlament machten. Als Präsident der Kammer ist Boehner seit Mittwoch einer der mächtigsten Politiker der USA – gleich nach Präsident Barack Obama und Vize Joe Biden.

Boehners erklärtes Ziel ist es, die Agenda des politischen Gegners in Grund und Boden zu stampfen. Dabei liebt das Provinzkind eines Kneipenwirts und einer streng katholischen Mutter vordergründig den jovialen Auftritt. Der stets braungebrannte Politiker mit den wässrig blauen Augen und dem Biedermann-Anzug bezeugt seine konservative Haltung, indem er sich – gar nicht politisch korrekt – unverblümt als Kettenraucher zeigt. Boehner liebt auch den Wein und das Golfspiel. Das hat er sich verdient: Als erster seiner elf Geschwister schaffte er es aufs College. Die Gebühren verdiente er sich mit Kellnern. Später machte ihn eine Verpackungsfirma zum Millionär. Das, sagt der amerikanische Märchenheld, habe ihn tödlich gelangweilt. Und er zog aus, um sich den Ruf als einer der fleißigsten und geradlinigsten Konservativen des Landes zu erkämpfen. Der 60-Jährige ist seit rund 20 Jahren für die Republikaner im Parlament und war 2006 auch schon ein paar Monate deren Mehrheitsführer. Der Aufsteiger ist auch ein Aufsteher. Bereits drei Jahre nach seinem Einzug ins Parlament stieg er 1994 zum Adjutanten von Mehrheitsführer Newt Gingrich auf – und half ihm, Präsident Bill Clinton das Leben zur Hölle zu machen. Als Gingrich nach einer Wahlschlappe 1998 gehen musste, verlor auch Boehner den Rückhalt in der Partei. Langsam kämpfte er sich zurück. Zum Schluss als erfolgreicher Millionen-Spendensammler für die Wahl, die ihn jetzt wieder an die Spitze katapultierte. Sein zielgerichteter Einsatz von Schecks und mangelnde Berührungsängste mit Lobbyisten bringen ihm aber auch viel Kritik ein. Doch Boehner beschwichtigt als Mann des Volkes: „Ich rede die ganze Zeit mit allen möglichen Leuten.“