: SPD mit Bauchschmerzen
WAHL-O-MAT Die Landeszentrale für Politische Bildung wird die Internet-Plattform nicht an andere Träger abgeben. Das hatte die SPD gefordert, um die NPD auszuschließen
von TERESA HAVLICEK
Eine klare Absage hat die Landeszentrale für politische Bildung (LpB) der SPD-Forderung erteilt, die NPD aus dem Wahl-O-Mat zu streichen: Ihre Angaben zur politischen Einstellung werden NutzerInnen der Internet-Plattform auf Übereinstimmungen mit denen aller zur Bürgerschaftswahl im Mai zugelassenen Parteien überprüfen lassen können. Es sei denn, die Parteien selbst boykottieren das Online-Spiel.
Ginge es nach der SPD, würden den Wahl-O-Mat für die kommenden Wahlen in Bremen nicht wie noch 2007 LpB und Landesjugendring gemeinsam betreiben, sondern nur noch der Landesjugendring. Das wäre ein Schlupfloch, einen Gerichtsentscheid von 2008 zu umgehen: Laut dem müssen alle kandidierenden Parteien im Wahl-O-Mat vorkommen – auch rechtsextreme. Das gelte aber nur für öffentliche Institutionen wie die LpB, argumentiert die SPD. Betreibe der Landesjugendring als freier Träger den Wahl-O-Mat, gäbe es „mehr rechtliche Möglichkeiten, die NPD rauszuhalten“, wie der SPD-Landesvorsitzende Andreas Bovenschulte erklärt.
„Schlicht nicht möglich“ ist das allerdings laut LpB: „Markenrechtlich geschützt“ sei das Instrument, erklärt ihr stellvertretender Leiter Stefan Ellinghaus. Auch abgesehen von Lizenz-Fragen ist er dagegen, die NPD auszuschließen: „Der Wahl-O-Mat soll die Realität abbilden“, sagt er, „die leugnet man, wenn man eine Parteienauswahl trifft.“
SPD-Chef Bovenschulte fordert nun, dass die LpB den Wahl-O-Mat „so gestaltet, dass die NPD ihn nicht für agitatorische Zwecke missbrauchen kann“. Ähnliche Kritik kommt auch von anderer Seite: „Tür und Tor“ öffne der Wahl-O-Mat der NPD, ihn strategisch einzusetzen, sagt Andrea Müller, Sozialarbeiter mit den Schwerpunkten Rechtsextremismus und Demokratieprobleme beim Lidicehaus. Grundsätzlich hält er den Wahl-O-Mat für einen guten Ansatz – besonders um Jugendliche zu erreichen. Unzufrieden ist er jedoch mit der Aufbereitung: Bislang werde nicht ausreichend geprüft, ob die Parteien ihre Angaben im Wahl-O-Mat „tatsächlich entsprechend der Parteirealität“ machen oder populistisch gemäß der sozialen Akzeptanz.
Zudem seien Jugendliche, denen der Wahl-O-Mat eine Nähe zur NPD attestiert, häufig schockiert – und blieben alleine damit: Die Plattform biete zwar Infos zur Einordnung der Ergebnisse, allerdings zu versteckt. „Die muss es sofort und dazu kurz und knapp geben“, sagt Müller, „sonst liest sie keiner“.
„Mit Hochdruck“ arbeite LpB die angesichts der Kritik an Verbesserungen, sagt Ellinghaus. Künftig, erklärt er, soll das Ergebnis direkt mit weiteren Infos verlinkt werden: Parteienprofile, die ein wissenschaftliches Begleitteam erarbeitet – und nicht die Parteien selbst; einer Erklärung, wie die Fragen ausgewählt werden. Denn die beziehen sich bei den Bürgerschaftswahlen in erster Linie auf regionale Themen. Die Frage etwa, ob die Hochstraße abgerissen werden soll, könnten Linkspartei und NPD unter Umständen identisch beantworten – Rückschlüsse auf die ideologischen Hintergründe der Parteien lasse das aber kaum zu, so Ellinghaus. Deutlicher werden sollen die künftig 38 statt wie bisher 30 Fragen. „Natürlich kann man sich immer verstellen“, sagt er, „bei mehr Fragen wird es am Ende aber auch zu mehr Widersprüchen kommen.“ Einen ganzen „Katalog“ mit Maßnahmen wie diesen will die LpB bis Ende nächster Woche vorlegen, kündigt Ellinghaus an.
Für die SPD wird die Grundlage ihrer Entscheidung zur Frage, ob sie trotz NPD beim Wahl-O-Mat mitmacht oder ihn boykottiert, erklärt ihr Vorsitzender Bovenschulte. Ein Boykott indes könnte das Aus für den Wahl-O-Mat bedeuten: Zwar habe außer den Sozialdemokraten niemand „Bauchschmerzen“ angemeldet, sagt Ellinghaus, „die Frage ist aber, ob der Wahl-O-Mat ohne die SPD als größte Partei in Bremen überhaupt Sinn machen kann“.
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