Er oder sie oder beides

GENDERFUCK Wenn Frauen die besseren Männer sind: Die queerfeministische All Girl-Boyband „Sizzy Boyz“ liefert eine Performance über „Verrat am eigenen Geschlecht“ ab

VON JAN ZIER

Die „Sissy Boyz“ sind – nein, so einfach ist das nicht. Denn darum geht es ja gerade. Also: Die Uneindeutigkeit. Die Freiheit, sich nicht zu entscheiden. Zum Beispiel für ein Geschlecht. Denn: „Die Menschen sind viel zu komplex, um sie nur in zwei Geschlechter zu pressen“, hat ein Sissy Boy mal gesagt.

Mann, Frau, Lesbe, Schwuler, Hetero, Homo – all diese bipolaren Kategorien sollen, ja, irgendwie unwichtig werden. Das ist ihr Ziel, dafür touren die Sissy Boyz von Bremen aus durch ganz Europa, machen intelligente, aber witzige Performances und Interventionen, die politische mit künstlerischen und ganz akademischen Diskussionen fusionieren. Ohne abgehoben zu sein: „Wir unterhalten auch. Wir möchten, dass unser Publikum was zu lachen hat und was zum Träumen.“

Ihr Mittel der Wahl ist die klassische Boyband. Also sowas wie Take That, New Kids on the Block, East 17, Backstreet Boys. Bands, ja, deren Fans die Sissy Boyz früher auch mal waren, wie sie offen bekennen. Und doch: „Wir parodieren die Künstlichkeit von Boygroups, das inszenierte Spiel des Begehrens, verdrehen die Wahrheit der Bühne.“ Sie provozieren, sie rappen über Geschlechter und Zärtlichkeiten auf offener Bühne auszutauschen, das ist seit jeher fester Bestandteil ihres Konzepts. Sie überzeichnen drastisch, sie spielen mit den tradierten Labels, aber sie wollen Männer nicht einfach nur imitieren oder Mackerallüren von Heterosexuellen ad absurdum führen. Schließlich wollen sie auf der Bühne auf jeden Fall auch tolle, eigenständige Boys sein. Der Name „Sissy Boyz“ steht dabei für „Weichei“ oder „Tunte“. Sie selbst nennen sich „sex-bejahend und transgenderfreundlich“.

Sie musikalisch nur auf eine Parodie der gecasteten Konservenpopmusik zu reduzieren, wäre sicher zu kurz gegriffen. Vieles könnte man zwar auch einfach als Karaoke, als Playback abtun – doch hier wird genau das, mit durchgestylter, choreographierter Tanzperformance zur eigenen Kunstform erhoben. Entstanden ist die Formation 2002 – auf einer männerfreien Soli-Party im Sielwallhaus im Viertel.

Zu sehen ist ihre aktuelle Performance noch bis Sonntag im „Arbeitszimmer“ des Frauen.Kultur.Labors thealit, und zwar jeweils für eine halbe Stunde. Dann wird ein „Schaufenster“ geöffnet, eine Art „Peep-Show“ beginnt. Sie erzählt, ausschnittweise, von der Verwandlung in Drag Kings, und, halb fiktiv, halb real, von der Entwicklung einer neuen Show, gibt einen Einblick in den Probenalltag. Denn die „Sissy Boyz“ sind jetzt vier Tage in diesem „Arbeitszimmer“.

Das Ganze ist Teil des seit Oktober laufenden interdisziplinären Forschungsprojekts „Was ist Verrat?“, was in diesem Falle in die Frage „Verrat am eigenen Geschlecht?“ mündet. Aus dem Projekt heraus gibt es vom 4. bis 20.  Februar eine Ausstellung Vor dem Steintor 136 im Viertel und ein Symposium, das vom 10. bis 13. Februar in der Galerie Rabus (Plantage 13) abgehalten wird.

Samstag & Sonntag, 14 - 14.30 Uhr, „Autogrammstunde“: Samstag, 16 bis 16.30 Uhr – jeweils im Arbeitszimmer des Frauen.Kultur.Labors thealit, Faulenstraße 73. Weitere Infos unter www.thealit.de/lab/verrat oder unter www.sissyboyz.de