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Archiv-Artikel

berliner szenen Feine Gesellschaft

Reserviert für WGs

Jeden Tag von 8 bis 14 Uhr gibt es in der Gaststätte zur Hasenheide ein Frühstücksbuffet für 2,99 Euro. „Essen satt“ heißt es auf einem Schild vor dem Lokal. Wer nach 14.00 Uhr kommt, kann sich mit dem Angebot von Eisbein begnügen: Ein Kilo Eisbein, Salzkartoffeln, Erbspüree, Sauerkraut, einen halben Liter Pils und einen Korn für 8,99 Euro.

Es ist Sonntag, 14.10 Uhr, und wir haben Hunger. Heißhunger auf Salziges, Saures und auf was Deftiges. Der Katerhunger. Noch etwas hölzern auf den Beinen und zerbrechlich im Kopf setzen wir uns auf die leere Terrasse, die von einem großen Zelt überdacht wird. Trotz der jetzt beißenden Kälte draußen ist es heiß unter dem Dach. Wir schwitzen.

Die andere Seite der Terrasse füllt sich auf einmal schlagartig mit schreienden Menschen. Sie gehören zusammen, aber passen irgendwie nicht zueinander. Wir können keinen gemeinsamen Nenner finden. „Das Alter vielleicht“, rätseln wir. Sie sind alle zwischen Mitte dreißig und Mitte fünfzig. Manche tragen Krawatte und Kostüm, andere nicht. Auf ihrer Seite der Terrasse hängt ein „Reserviert“-Schild. „WGs“ steht darauf. „Wohngemeinschaften?“, fragen wir uns. Auf den Tischen stehen russische Champagnerflaschen in Eiskübeln. „Oder die Mafia?“

„Brunch ist schon vorbei“, erklärt uns die Kellnerin, als sie unsere Getränkebestellung aufnimmt. Es ist zu laut, um sich unterhalten zu können. Eisbein geht noch nicht, Bier und Korn erst recht nicht, und draußen scheint die Sonne. „Für was steht WGs?“, fragt eine Freundin im Hinausgehen. „Walter-Gropius-Schule“, sagt ein mittelalter Herr in T-Shirt und Jackett. „Lehrer, natürlich!“ Wir schlagen uns an den Kopf. Der angehende Lehrer unter uns knirscht mit den Zähnen. MAREIKE BARMEYER