Die Köpfe rollen weiter

In Schweden fand erstmals ein Prozess um den Vertrieb von Gewalt-PC-Spielen statt. Warum er dort erlaubt bleibt

Abgeschlagene Köpfe rollten am Dienstag über die Leinwand im Verhandlungssaal des Amtsgerichts im südschwedischen Helsingborg. Die RichterInnen sollten darüber entscheiden, ob ein Computerspiel „extrem gewalttätig“ und damit möglicherweise ein Verstoß gegen das „Druckfreiheitsgesetz“ des Landes ist, das für Darstellungen dieser Art die Meinungsfreiheit einschränkt und mit bis zu zwei Jahren Haft droht. Ein Gesetz der Art also, wie es in Deutschland Bayerns Innenminister Beckstein und andere Befürworter einer Gesetzgebung gegen gewalttätige Computerspiele womöglich im Sinn haben.

Angeklagt war ein Spielwarengroßhändler, der das in Schweden mit der Altersgrenze „ab 18“ versehene Computerspiel „Postal 2“ vertrieben hatte. Es war das erste derartige Verfahren vor einem schwedischen Gericht. Der Staatsanwalt Göran Olsson hielt das Spiel für geeignet für einen Musterprozess, weil „sein Grundgedanke rohe Gewalt“ sei.

Noch am Dienstagabend endete das Verfahren mit einem Freispruch in allen Anklagepunkten. Olsson hatte dem Gericht 21 Szenen aus „Postal 2“ vorgeführt, die er für beispielhaft hielt: mit Spaten geköpfte Figuren oder Passanten, die die Spielfigur auf offener Straße mit Benzin übergießen und anzünden. Die Verteidigung konterte mit Ausschnitten aus Filmen, die in schwedischen Kinos ab 15 Jahren freigegeben worden sind: „Kill Bill“, „The Punisher“ und „Hostel“. Die Szenen überzeugten das Gericht davon, dass man an Computerspiele jedenfalls keine strengeren Maßstäbe anlegen darf als an Filme.

Als Gutachter war ein Pädagogikprofessor geladen, der nach einem Selbstversuch „Postal 2“ zwar als „möglicherweise geschmacklos, aber nicht schädlich“ befand und auch eine „Andeutung von Satire“ entdeckt haben wollte. „Postal 2“ gilt vielen Spielern ganz unabhängig von seinem Inhalt als schlechtestes Computerspiel aller Zeiten. Das Gerichtsverfahren hat ihm nun in Schweden aber zu einem kräftigen Verkaufsplus verholfen. REINHARD WOLFF