Selbst Schneekanonen wird es zu warm

Die Berge bleiben grün. Und das wird in Zukunft öfter passieren. Die OECD hat die Auswirkungen des Klimawandels auf den Skitourismus untersucht. Das Ergebnis: Alle alpinen Skigebiete in Deutschland müssen um ihre Schneesicherheit fürchten

VON REINHARD WOLFF

Der Skitourismus in den Alpen ist bedroht. Zu diesem Ergebnis kommt eine gestern von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlichte Studie. Darin wurden zum ersten Mal systematisch die voraussichtlichen Auswirkungen des Klimawandels auf die gesamte Alpenregion untersucht. Das Ergebnis: Alle Skigebiete in Deutschland und etwa 70 Prozent der Skiregionen in Österreich müssen wegen des Klimawandels um Schneesicherheit fürchten. Und damit um die Grundlage des Wintertourismus.

Derzeit gelten rund 90 Prozent oder 599 der 666 mittelgroßen und großen Skiregionen in den Alpen als „schneesicher“. Das heißt, sie haben im Durchschnitt an mindestens 100 Tagen im Jahr eine für Wintersport ausreichende Schneedecke. Laut OECD wären bei einem Plus der durchschnittlichen regionalen Jahrestemperatur um 1 Grad Celsius nur noch rund 500 Gebiete schneesicher, bei 2 Grad noch 400 und bei 4 Grad gerade 200 Skiregionen. In Deutschland würde sich schon bei einem Temperaturanstieg von 1 Grad die Zahl der schneesicheren Gebiete um 60 Prozent verringern.

Etwas günstiger kommt die Schweiz weg. Zwar bekämen die niedriger liegenden Wintersportgebiete ein Problem. Aber zumindest die Hochlagen werden der OECD zufolge erst einmal davonkommen.

„In den Alpen macht sich der Klimawandel besonders deutlich bemerkbar, und der durchschnittliche Temperaturanstieg war in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten dreimal so groß wie im globalen Durchschnitt“, warnt Shardul Agrawala, Klimaexperte im Umweltdirektorat der OECD. Die Jahre 1994, 2000, 2002 und 2003 seien die wärmsten der letzten 500 Jahre gewesen. Klimamodelle zeigten, dass in den kommenden Jahrzehnten die Entwicklung noch schneller fortschreiten dürfte. Damit werde es weniger Schnee in den tieferen Lagen geben, die Gletscher würden sich weiter zurückziehen und der Permafrostboden in den höheren Lagen werde anfangen zu tauen.

Mit Schneekanonen, die Kunstschnee produzieren, haben sich die Wintersportorte schon seit Jahren auf die Unsicherheiten des Wetters eingestellt. Doch laut OECD-Berechnungen wird man sich schnell der Grenze nähern, bei der solche künstliche Beschneiung nicht mehr rentabel ist oder aufgrund des Temperaturniveaus technisch nicht mehr funktioniert.

Im nordschwedischen Skigebiet Sälen muss man bereits im jetzigen Winter diese Erfahrung machen. Seit Jahren gilt hier ab dem 15. November eine „Schneegarantie“. Wer für diese Periode bucht und dann keinen ausreichenden Schnee vorfindet, bekommt sein Geld zurück und darf zum Sonderpreis neu buchen. Diese Entschädigungen mussten dank Natur- oder zumindest Kunstschnee bislang noch nie gezahlt werden.

Anders ist die Lage in diesem bislang ausgesprochen milden Winter, in dem noch keine Abfahrt öffnen konnte. Die Aussichten bis Weihnachten und Neujahr versprechen auch keine umfassende Besserung. 250 Saisonangestellten ist daher bereits gekündigt worden. Und die Aktie des Skigebietsbetreibers ist in den Keller gefallen.

Doch es gibt Alternativen, wie zum Beispiel im Achental südlich des Chiemsees. Die dortigen Gemeinden schlossen sich 1999 zum Ökomodell Achental zusammen. So hätten sich die bis dahin auch im Alpinski aktiven Orte wie etwa Schleching ganz bewusst entschieden, auf den weiteren Ausbau von Pisten oder die Anschaffung von Schneekanonen zu verzichten, sagt Landespflegerin Claudia Irlacher. Stattdessen seien Konzepte erarbeitet worden, mit denen die Orte flexibel auf das Wetter reagieren können: In den schneearmen Winterwochen stünden Urlaubern große Wanderstrecken zur Verfügung. Wenn diese zuschneien, würden sowohl Langlaufloipen gespurt als auch Strecken für Schneewanderungen. (mit AFP)