: Nie mehr faule Eier
Die Dortmunder Stadtwerke mischen ihr Erdgas mit neuem Parfum, um Verbraucher bei Lecks zu warnen
Erdgas ist unsichtbar. Und Erdgas ist von Natur aus geruchlos. So lernen es Schüler im Chemieunterricht. Für das Erdgas, mit dem immer mehr deutsche Häuser beheizt werden, gilt diese Fünftklässlerweisheit allerdings schon lange nicht mehr. Wenn es austritt, etwa weil eine Leitung leck geschlagen hat, riecht es schwefelig. In der Wohnung duftet es dann nach faulen Eiern.
Die 220.000 Kunden des Dortmunder Energieversorgers DEW müssen sich nun auf einen neuen Geruch einstellen. Seit gestern wird in das Netz der Stadt ein neues Parfum eingespeist. Umweltschonender als das alte Schwefelgemisch soll es sein, außerdem die Leitungen vor Korrosion schützen.
Die DEW ist mächtig stolz auf die olfaktorische Innovation. Nur wonach der profan „GasodorS-Free“ getaufte Duft jetzt genau riecht, kann dort niemand so richtig beschreiben. „Es hat einen charakteristischen Warngeruch“, sagt Unternehmenssprecherin Gabi Dobovisek. „Unverwechselbar“ sei der, aber rein synthetisch. „Es gibt keine Vorbilder in der Natur, das ist Sinn der Sache. Würde es nach vergammelten Kartoffeln riechen, würde ja niemand an Gas denken und alarmiert sein“, sagt Dobovisek.
Hergestellt hat den neuen Geruch die Holzmindener Firma Symrise, die mit rund 4.800 Beschäftigten und einem Milliardenumsatz immerhin der viertgrößte Hersteller von Aromastoffen weltweit und im Kerngeschäft mit dem geschmacklichen Aufhübschen von Getränken, Gebäck und Fastfood beschäftigt ist. Nach der Entwicklung im Labor wurde das neue Kunstprodukt in Testreihen ausprobiert. Die Probanden mussten so lange riechen, bis sie das in der Schule Gelernte vergessen und sich tatsächlich eingebildet hatten, dass Erdgas so und nicht anders riecht.
Zwei bis drei Tage wird es nach DEW-Angaben noch dauern, bis sich das aus mehreren Verteilstationen eingespeiste neue Parfum im gesamten Versorgungsnetz ausgebreitet hat. Dann muss sich zeigen, ob der Duft genauso gut funktioniert wie der vertraute Schwefel. Die bisher verwendete Beimischung jedenfalls hat bisher 40 Menschen pro Monat dazu animiert, die Gasgeruch-Notrufnummer der DEW anzurufen, bevor ihnen das Haus um die Ohren flog. Die letzte Gasexplosion liegt in Dortmund schon Jahrzehnte zurück. Nicht nur die DEW hofft, dass sich mit „GasodorS-Free“ keine neue ereignet. KLAUS JANSEN