: Tibetische Gebete ohne Baum
Weihnachts-Varianten (2): Wir haben Angehörige anderer Religionsgemeinschaften gefragt, wie weit sie sich christlichen Traditionen annähern. Eine Antwort von Stefan Storm aus Hamburg, einem Buddhisten der tibetischen Karma-Kagyü-Linie
Wie wir Buddhisten Weihnachten feiern? Wir haben kein Weihnachten. Weihnachten ist ja kein buddhistischer Feiertag. Wir machen in dieser Zeit auch nichts Besonderes, begehen keine Feste oder so etwas. Aber natürlich feiern wir ganz normal Silvester, weil das eben international so gemacht wird. Das ist aber auch schon alles.
Was sonst noch passiert um die Jahreswende herum? Etliche Buddhisten treffen sich in Indien – und zwar an dem Ort, an dem der Buddha die Erleuchtung hatte, in Bodh Gaya. Dort halten die verschiedenen buddhistischen Meditationslinien Gebetstreffen ab. Die haben aber nichts mit Weihnachten zu tun. Für die europäischen Buddhisten gibt es aber natürlich Annäherungen an Weihnachten.
Nächste Woche findet zum Beispiel in unserem Hamburger tibetischen buddhistischen Zentrum eine Weihnachtsfeier für Mitarbeiter des Zentrums und andere Interessenten statt. Das ist eine Weihnachtsfeier, wie man sie auch in der Firma macht. Das tun wir, weil wir hier im christlichen Kontext leben. Es heißt aber nicht, dass wir damit Weihnachten – das Fest einer anderen Religion – übernehmen. Das könnte man auch gar nicht, denn Weihnachten hat doch nichts mit Religion zu tun. Das ist um diese Jahreszeit in unserer Kultur bloß ein soziales Ereignis, das man eben lebt. Weihnachten hat in meinen Augen auch nichts mit Christentum zu tun. Es ist wirklich weit davon entfernt.
Aber um auf die Feier hier im buddhistischen Zentrum zurückzukommen: Kerzen und Raumschmuck gibt es natürlich nicht. Es kann sein, dass wir ein paar Gebete sprechen. Das ist auch deshalb gut möglich, weil die Weihnachtsbotschaft sehr gut mit dem buddhistischen Gedankengut vereinbar ist. Weihnachten gilt den Christen ja als das Fest der Liebe und so weiter. Und da die Buddhisten das Mitgefühl propagieren, ist es für uns vom Kontext her überhaupt kein Problem, da mitzumachen. Aber ein Baum – nein, ich glaube nicht, dass die für die Weihnachtsfeier im buddhistischen Zentrum einen Baum aufstellen.
Wobei man natürlich bedenken muss, dass es im Buddhismus sehr viele unterschiedliche Traditionen gibt. Ich kann nur für den tibetischen Buddhismus und speziell für die Karma Kagyü-Linie hier in Hamburg sprechen, die auf den indischen Gelehrten Tilopa aus dem elften Jahrhundert zurückgeht. Wie die anderen buddhistischen Strömungen mit Weihnachten umgehen – Buddhisten aus Thailand zum Beispiel –, kann ich natürlich nicht sagen. Und was mich persönlich betrifft: Ich fahre dieses Jahr nach Bodh Gaya und entziehe mich der Weihnachtsbaum-Frage. Ich glaube aber nicht, dass ich andernfalls einen Weihnachtsbaum in meine Wohnung stellen würde.
Ein Jahresendfest gibt es bei den Buddhisten allerdings durchaus – wenn der eigentlich wichtige Termin ist, das nach dem Mondkalender berechnete tibetische Neujahr. Das nächste ist am 18. Februar kommenden Jahres. Vor dem tibetischen Jahreswechsel finden jeweils eine Woche lang Gebete statt – in den Klöstern und den buddhistischen Zentren, auch in unserem hier. Die Gebete – benannt nach der buddhistischen Schutzgottheit Mahakala – sollen helfen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Für einen selbst, für alle, die um einen herum leben, für die ganze Welt. Damit alle ein bisschen stolperfreier durchs neue Jahr gehen können. PROTOKOLL: PS