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Archiv-Artikel

berliner szenen Kleine Schilderkunde

Köpeklere yasaktir

Auf dem Schild am Spielplatzzaun ist ein durchgestrichener Hund abgebildet. Der soll wohl nicht mitspielen. Hinkacken ebenfalls nicht. So steht es auch auf Deutsch neben dem durchgestrichenen Hund. Auf Türkisch steht da hingegen: „köpeklere yasaktir“.

Lassen wir das „köpeklere“ einmal weg. Das ist vermutlich ohnehin nur eine Floskel wie „Effendi, könnsemabitte“ oder Ähnliches. Bleibt noch „yasaktir“. Dem okzidentalen Ohr klingt das zunächst wie ein Widerspruch: Sagt denn, wer Ja zum Tier sagt, nicht schließlich auch Ja zum Hund? „Kommse rein, Hund, könnse hinkacken!“ Wäre hier also nicht besser ein eindeutiges „neynsakhunt“ angebracht? In diesem Fall freilich ohne „köpeklere“, denn die Höflichkeitsform verbietet sich in Verbindung mit dem verneinten Imperativ.

Es ist aber doch kein Widerspruch. Der Hund gilt, ähnlich dem Schwein, als unreines Tier, als quasi Untier. Wer also „yasaktir“ sagt, meint damit automatisch „neynsakhunt“, „neynsakschweyn“ oder „neynsakschwarzohrpinseläffchen“. Ein ausdrückliches Bekenntnis zum Tier ist zugleich immer auch eine ultimative Absage an das Untier. Und diese Form, selbst ein klares Verbot noch in eine positive Aussage zu packen, in ein erfrischendes „yasaktir“, ist mir allemal sympathischer als das herrische Kasernengeblaffe preußischer Provenienz: „Hunde verboten!“, „Radfahrer absteigen!“, „Stillgestanden, rührt euch, stillgestanden!“

Und auch für die Untiere hält die eher menschenorientierte Kultur noch mannigfaltige Zerstreuungen bereit: Sie können den Mond anheulen, durch karge Hochebenen streunen oder sich von durchdonnernden Lastern in die Umgehungsstraße plätten lassen. ULI HANNEMANN