: Irans Populismus nutzt sich ab
Bei den Kommunalwahlen im Iran könnte sich Protest gegen Präsident Ahmadinedschad zeigen – in den engen Grenzen, die Innenministerium und Wächterrat gezogen haben
BERLIN taz ■ Heute finden im Iran landesweit Kommunalwahlen statt. Gleichzeitig wird die Expertenversammlung neu gewählt, ein Gremium mit 86 Mitgliedern, das für die Wahl oder Absetzung des Revolutionsführers zuständig ist. Zwar ist die Rede von freien Wahlen, in Wirklichkeit aber dürfen nur jene Kandidaten antreten, die das Innenministerium und der Wächterrat für geeignet halten. Damit steht von vornherein fest, dass alle Bewerber, die nicht direkt dem islamischen Lager angehören und ihre uneingeschränkte Loyalität zum System nachweisen können, aus dem Wettbewerb ausgeschlossen sind.
Selbst innerhalb des Lagers wird gefiltert. So wurden zahlreiche Kandidaten der Reformer im Vorfeld der Wahl ausgesiebt. Der Rest hat es trotz Differenzen zwischen den einzelnen Gruppen geschafft, zumindest für die Hauptstadt Teheran eine gemeinsame Liste aufzustellen. Sollte es den Reformern gelingen, ihre enttäuschten Wähler wieder zu den Urnen zu bewegen und damit die Wahlbeteiligung zu erhöhen, hätten sie zumindest die Chance, das Teheraner Rathaus zu erobern.
Ganz anders sieht es im Lager der Konservativen aus. Allen Empfehlungen älterer Würdenträger zum Trotz, nach außen Einheit zu demonstrieren, liegen nun mehrere Listen konservativer Gruppen vor. Im Grunde geht es hier um den Kampf zwischen jenen grauen Eminenzen, die als Weggefährten Ajatollah Chomeinis über zwei Jahrzehnte zum Führungsstab des Gottesstaates gehörten und inzwischen alt und entsprechend pragmatischer und moderater geworden sind, und jenen Gruppen der zweiten Generation, die über lange Jahre hindurch die Drecksarbeit gemacht haben und seit wenigen Jahren ihren Anspruch auf Macht anmelden.
Diese Gruppen, zu denen auch Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad gehört, verlangen die Rückkehr zu den Ursprüngen der Revolution. Sie werfen der alten Garde Verrat an den Ideen Ajatollah Chomeinis, Eigennutz und Korruption vor, sie geben vor, soziale Gerechtigkeit herstellen und einen lupenreinen Gottesstaat errichten zu wollen. Sie haben bei den Kommunalwahlen 2003 einen großen Sieg errungen, bei den Parlamentswahlen 2004 die meisten Sitze besetzt und bei den Präsidentschaftswahlen 2005 ihrem Kandidaten Ahmadinedschad zum Sieg verholfen.
Selbstverständlich waren diese Siege auch drastischen Manipulationen zu verdanken. Aber nicht nur. Der Populismus dieser Gruppe, vor allem die Korruptionsvorwürfe gegen die alte Garde, die sich in der Tat erbarmungslos am Volkseigentum bereichert hat, ihr angeblich soziales Engagement und nicht zuletzt die außenpolitischen Attacken gegen die USA und Israel haben dazu geführt, dass Millionen Wähler sich für sie entschieden haben.
Nun besitzen sie seit fast eineinhalb Jahren nahezu das Monopol der Macht, doch vorzuweisen haben sie so gut wie nichts. Im Gegenteil. Wirtschaftlich geht es rapide bergab. Immer mehr Unternehmer bringen ihr Kapital ins Ausland, ausländische Unternehmer verhalten sich aufgrund der unsicheren politischen Lage äußerst zurückhaltend, Arbeitslosigkeit und Armut nehmen zu. Dementsprechend häufen sich die Streiks.
Auch der Versuch, das Land wieder zum reinen Islam zurückzuführen, was als neue Kulturrevolution bezeichnet wird, hat zum Verbot liberaler Zeitungen und Verlage, zu rigoroser Verschärfung der Zensur und nicht zuletzt zu größeren Repressalien an Schulen und Universitäten geführt. Die Proteste der letzten Wochen sind ein Ausdruck der zunehmenden Unzufriedenheit in den akademischen Kreisen.
„Sie haben unsere Professoren in den Ruhestand geschickt, zahlreiche Studenten an der Fortsetzung ihres Studiums gehindert, uns nicht nur Proteste, sondern sogar das freie Atmen verboten und unsere Universitäten in Militärgarnisonen verwandelt. Glaubt ja nicht, dass unsere Geduld unerschöpflich ist, irgendwann wird das Fass überlaufen“, warnte Armin Salmasi, Mitglied des Rats islamischer Studenten, letzte Woche auf einer Protestkundgebung. Die rund 3.000 Versammelten skandierten immer wieder „Nieder mit der Despotie“, „Das Volk will Brot und keine Bombe“.
Als Ahmadinedschad am Montag an der Teheraner Amir-Kabir-Universität auftrat, wurde er ständig von Studenten unterbrochen. „Tod dem Diktator“ riefen sie und verbrannten vor den Augen des Präsidenten sein Porträt. BAHMAN NIRUMAND