piwik no script img

Archiv-Artikel

Unionsfraktionschef wirbt um Reform der Organspende

ETHIK CDU will, dass sich alle Bürger entscheiden, ob sie im Falle eines Hirntods Organe spenden wollen

BERLIN dpa | Gegen den dramatischen Mangel an Spenderorganen in Deutschland setzt Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) auf eine Befragung aller Bürger. Ein Eintrag in Ausweis oder Führerschein könnte die bisherigen Spendeausweise ersetzen. Noch in diesem Jahr könnte der Bundestag ohne Fraktionszwang in der ethisch heiklen Frage entscheiden. Kauders Eintreten für ein einvernehmlich beschlossenes Gesetz ist aber umstritten.

Rund fünf Monate nach der Nierenspende von Frank-Walter Steinmeier an seine Frau kommt Bewegung in den Bereich. Er habe mit dem SPD-Fraktionschef gesprochen, von ihm stamme der Begriff „Entscheidungslösung“, sagte Kauder am Dienstag in Berlin. Die Bürger sollten einmal im Leben mit der Frage konfrontiert werden und selbst entscheiden. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Karl Lauterbach, unterstützte den Vorstoß. „Das scheint für Deutschland die beste Lösung zu sein, weil sie auf breite Akzeptanz stoßen und für mehr Spendebereitschaft sorgen würde“, sagte er.

Vehement trat Kauder Forderungen nach Übernahme der in vielen anderen Ländern gültigen Widerspruchslösung entgegen, nach der Ärzte Hirntoten Organe entnehmen dürfen, wenn diese zu Lebzeiten nicht widersprochen haben. „Ich möchte nicht, dass der Staat in diesem höchst sensiblen Bereich zu etwas zwingt.“ Heute müssen die Menschen zu Lebzeiten ihre Bereitschaft aktiv erklären.

Kauder plädierte für eine einzige Gesetzesvorlage. „Ich würde mir wünschen, dass wir im Deutschen Bundestag möglichst einhellig zu einer Lösung kommen.“ Absprachen seien für die kommenden Wochen geplant.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Ulrike Flach, will dagegen die Tür für konkurrierende Anträge offenhalten. „Das ist eine Gewissensfrage“, sagte sie. „Da gibt es immer mehrere Aspekte. Das muss nicht in einen einzigen Antrag münden.“ Gleichzeitig meinte sie, Kauders Vorschlag könne zielführend sein.

Reinhard Pregla, Gründer der Initiative „Pro Organspende“, erklärte, die Antwort des Befragten solle im Ausweis, im Pass oder Führerschein unter Wahrung des Datenschutzes gespeichert werden. Wenn der Befragte sich nicht zu einer Entscheidung durchringen könne, müssten nach seinem Hirntod weiter die Hinterbliebenen entscheiden. Die Praxisärzte sollten für die Aufklärung sorgen.

Rund 12.000 Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderorgan. „Weit über 1.000 müssen leider jedes Jahr auf der Warteliste sterben“, sagte Pregla. Der Vizepräsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, bezifferte die Totenzahl sogar auf 3.000. International hinkt Deutschland laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation mit 15 Spendern pro eine Million Einwohner deutlich hinter Belgien, USA, Österreich, Italien und Finnland (mehr als 20) und Spanien (34) hinterher.

Meinung + Kommentar SEITE 12