: Opposition sein ist schöner als Weihnachten
Heute stimmt der Bundesrat über ein weiteres Gesetz ab, das der Bundespräsident womöglich stoppt
BERLIN taz ■ Der Bundesrat soll heute das Gesetz zu den Wohnkosten für Arbeitslosengeld-II-Empfänger beschließen. Doch Oppositionspolitiker und Juristen zweifeln, ob Bundespräsident Horst Köhler dieses umstrittene Gesetz unterschreiben wird.
Es sieht vor, dass der Bund den Ländern Geld überweist und damit die Kommunen entlastet, die 2005 die Wohnkosten für Hartz-IV-Empfänger übernehmen mussten. Zwei Länder, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, hatten sich höhere Summen ausgebeten. Dies könnte verfassungswidrig sein, glaubt die Opposition, und das fürchten angeblich auch Juristen in Kanzleramt und Innenministerium. Köhler werde das Gesetz deshalb stoppen, sobald der Bundesrat ihm zugestimmt hat.
Nach Informationen der taz wird der Bundesrat morgen trotzdem grünes Licht geben. Zwar schreibt die Süddeutsche Zeitung, es werde vielleicht ein Vermittlungsausschuss einberufen, welcher die Wohnkosten-Ausnahmen rückgängig macht. Bis gestern Abend lag jedoch den Landesregierungen kein Antrag auf Einberufung eines solchen Ausschusses vor. „Der Bundesrat wird es wagen“, hieß es gestern aus einigen Landesvertretungen.
Schließlich geht es nicht nur darum, eine Peinlichkeit zu vermeiden. Es geht auch um Geld. Viel Geld, das die Kommunen ab Anfang Januar eingeplant haben. Heute ist die letzte Sitzung des Bundesrates in diesem Jahr, erst Mitte Februar 2007 ist die nächste geplant. Ein Vermittlungsausschuss würde Sondersitzungen bedeuten. Noch schlimmer wäre allerdings, wenn Köhler das Gesetz stoppt. Dann müssten die Kommunen auf jeden Fall noch eine Weile auf ihr Geld warten.
Die Opposition fand gestern im Bundestag schon mal Gefallen daran, das Wohnkosten-Gesetz in die Reihe der „Regierungspannen“ zu stellen. „Sie peitschen Gesetze ohne Rücksicht auf parlamentarische Gepflogenheiten im Eilverfahren durch“, warf die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der Koalition vor. Der PDS-Abgeordnete Ulrich Maurer stimmte den Liberalen in bis dato nicht gekannter Einmütigkeit zu: „Es hat noch nie eine so eindrucksvolle Kette von Pannen bei der Gesetzgebung gegeben.“ Und der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Jerzy Montag, verspottete die Koalition mit einem Clint-Eastwood-Zitat: „Ich reite in die Stadt, der Rest findet sich.“
Der Opposition hätte der Weihnachtsmann kein schöneres Geschenk bringen können als den Streit über die Rolle des Bundespräsidenten: Endlich werden sie in ihrer Kritik am Regierungsstil der großen Koalition erhört. Im Fahrwasser des Staatsoberhaupts können die Fraktionschefs Guido Westerwelle und Fritz Kuhn nun gar nicht laut genug betonen, wie wichtig die „Pflicht des Herrn Bundespräsidenten zur sorgsamen Prüfung der Gesetze“ ist. Dass die große Koalition Entwürfe zu schnell durch das Parlament winkt und wichtige Themen für nachts um drei auf die Tagesordnung setzt, kritisiert die Opposition nämlich schon lange.
Alfred Hartenbach, Staatssekretär im Justizministerium, wehrte sich gestern gegen „dieses Pennälergepöbel“ im Bundestag: 77 Gesetze seien im letzten Jahr verabschiedet worden, „die haben sich bestens bewährt“. KATHARINA KOUFEN