: Ziviler Angriff auf rechte Räume
Im Kampf gegen den Rechtsextremismus wollen sich Berlins Stadtteilzentren zusammenschließen. Geplant sind Aktionen wie Stadtteilfeste an Orten, die rechte Gruppen für sich beanspruchen
von Waltraud Schwab
Die 37 Stadtteilzentren Berlins wollen gemeinsam mit dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV) das Jahr 2007 zum Aktionsjahr gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus machen. „Das demokratische Klima in Kiezen und Brennpunktregionen soll damit gestärkt werden“, sagt die Sprecherin des DPWV, Elfi Witten. Der Verband verwaltet treuhänderisch die Zuwendungen für die Stadtteilzentren.
Mit Stadtteilfesten an Orten, die von Rechten bevorzugt werden, wollen diese für Demokratie und Toleranz werben. „Aktion angstfreier Raum“ nennt sich das Projekt. Am S-Bahnhof Schöneweide findet eins der Feste statt. Des Weiteren wird die antirassistische Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen in den Stadtteilzentren verstärkt. Der interkulturelle Austausch, aber auch die Aufarbeitung der eigenen Geschichte, etwa jener des Nachbarschaftsheims des Pfefferwerks, das einmal ein jüdisches Kinderheim war, stehen auch auf dem Programm.
Nachdem das interkulturelle Zentrum „Haus Babylon“ in Hellersdorf im Mai zum dritten Mal seit 1999 von rechten Gruppen überfallen und in Brand gesetzt wurde, überlegten sich die Stadtteilzentren mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, wie sie sich mit dem einzigen interkulturellen Zentrum in Hellersdorf solidarisieren und es unterstützen können. Mindestens 10 Prozent der Bevölkerung im Umfeld des Hauses Babylon sympathisieren mit rechten Ideen. Mekonnen Shiferaw, der Leiter des Zentrums, und seine Mitarbeiterinnen fordern durch ihre Arbeit und ihre Publikationen dennoch ungebrochen ein, was eine Selbstverständlichkeit in einer Demokratie sein sollte: Respekt vor anderen Kulturen (siehe Interview auf dieser Seite).
Die Wahlergebnisse zum Abgeordnetenhaus im September machten erst recht deutlich, wie wichtig es ist, die demokratische Kultur vehement in die Öffentlichkeit zu tragen. Die Stadtteilzentren sind die niedrigschwelligsten Anlaufstellen für die Bevölkerung. „Für uns ist es eine Verpflichtung, die Zivilcourage zu stärken und mit bürgerschaftlichem Engagement gegen rechte Tendenzen anzugehen. Auch gegen die subtilen Rassismen und Ausgrenzungsmechanismen“, sagt Miriman Kurt vom Nachbarschafts- und Gemeinwesenverein Kotti e. V.
Das Aktionsjahr gegen Rechtsextremismus ist die erste zivilgesellschaftliche Initiative nach den Wahlen, die von einem Wohlfahrtsverband mitgetragen wird. 47.000 Berliner und Berlinerinnen – und damit doppelt so viele wie bei der Wahl zuvor – haben im September NPD und DVU gewählt. In fünf Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) sitzen nun rechte Parteien.
Aus den BVVen ist derzeit noch Unterschiedliches über die Rechten zu hören. In Pankow habe sich der Bezirksverordnete der Republikaner noch nicht zu Wort gemeldet, berichtet der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Mindrup. Auch in Neukölln hätten die beiden NPDler noch nichts gesagt, bestätigt der CDU-Bezirksverordnete Nader Khalil.
Auch in Hellersdorf sei es noch relativ ruhig, meint Bernadette Kern von den Grünen. Es falle jedoch auf, dass offenbar hochkarätige NPD-Kader die Sitzungen beobachten. Auch viele junge Leute aus dem rechten Umfeld verfolgen die Sitzungen. In Lichtenberg zeigen die NPDler schon deutlicher, wes Geistes Kind sie sind: Als es in der letzten BVV-Sitzung um ein selbstverwaltetes Jugendzentrum und dessen antirassistische Arbeit ging, beschimpften sie die Betreiber als „Kommunisten, Hetzer und Linksextremisten“, berichtet der Abgeordnete Christian Petermann von der PDS.