Goethe, Institute etc.
: Kulturschock

Der Kleidung und allgemeinen Anmutung nach scheint der Kollege von der FAZ ein ruhiger und wohlerzogener Mann zu sein. Aber nach eineinhalb Stunden Selbstdarstellung durch die Präsidentin der Goethe-Institute Jutta Limbach, ihren Generalsekretär, ihren Geschäftsführer und drei LeiterInnen der Institute in Sofia, Peking und Istanbul hatte er die Faxen dicke. Endlich wollte er es wissen: „Was tun Sie eigentlich dafür, dass deutsche Werte ins Ausland getragen werden?!“ Nach kurzem Zögern, erläutert er freizügig, was er unter genuin teutonischen Valuta versteht: „Liberalität oder Meinungsfreiheit“. Das Podium war verdutzt. Limbach murmelte vor sich hin, dass das ja wohl keine besonders deutschen Errungenschaften seien, hielt sich aber erst mal mit einer offiziellen Entgegnung zurück. War gerade tatsächlich allen Ernstes nationales Sendungsbewusstsein von Deutschen im Ausland eingefordert worden?

Und so uninspiriert der vorangegangene Teil der am Donnerstag in Berlin abgehaltenen Jahrespressekonferenz der Goethe-Institute mehrheitlich vonstattengegangen war, jetzt nahmen die VertreterInnen der staatlichen Institution Haltung an. Mit Vehemenz verteidigten sie einen Kulturbegriff, der sich der Einhegung durch nationalistische Bedürftigkeiten entzieht. So stellte der nach Peking entsandte Michael Kahn-Ackermann klar, dass der Export von Wertevorstellungen zweifellos keine vernunfthaltige Handlungsoption darstelle, vielmehr der Dialog mit anderen Kulturen in Augenhöhe zu führen sei. Sonst würden diese sich schlicht gar nicht mehr für Europa interessieren. In China etwa herrsche heute ein neues Selbstbewusstsein. Man realisiere das besser zügig.

Mit dieser Antwort wollte sich der Kollege von der Presse nun nicht zufriedengeben: „Aber man wird doch wohl sagen dürfen, dass man seine Frau nicht schlagen und auch keine Journalisten umbringen darf!“ Ja, und da war sie wieder: die abgewetzte Vorstellung davon, dass es sich zumal bei der Türkei und dem so befremdlich boomenden China um den Aufenthaltsort von Barbaren handelte, die zu keiner Zivilgesellschaft fähig sind. Geduldig merkte Kahn-Ackermann an, dass Gewalt gegen Frauen in seinem Gastland durchaus strafrechtlich verfolgt würde. Und der Generalsekretär Hans-Georg Knopp rief: „Niemand geht bei uns mit der Anweisung raus, dies oder das müsst ihr vertreten!“

Man glaubte es ihnen: Die Goethe-Institute sehen ihre Aufgabe nicht darin, die lausige Idee von einer deutschen Leitkultur umzusetzen. Stattdessen beabsichtigen sie, die deutsche Sprache durch Sprachkurse zu vermitteln und außerdem zur internationalen Kulturförderung auf Basis einer weltweiten Präsenz beitragen. Angesichts der vom Außenministerium vorgenommenen Aufstockung des jährlichen Etats um 13,5 Millionen auf 120 Millionen Euro ist dieses Ziel wieder erreichbar. INES KAPPERT