„Für die meisten wird es sehr schwer“

MIGRATION Senat bricht Abkommen mit den Oranienplatz-Flüchtlingen, kritisiert Anwältin

■ ist Anwältin mit Schwerpunkt Asyl- und Aufenthaltsrecht.

taz: Frau Böhlo, das Landesgericht Stendal hat Ihren Mandanten, einen Oranienplatz-Flüchtling, in letzter Minute vor der Abschiebung bewahrt. Mit welcher Begründung?

Berenice Böhlo: Das Gericht hat gesagt, dass der Beschluss zur Abschiebehaft des Amtsgerichts Burg, auf dessen Grundlage mein Mandant in Haft genommen wurde, von Anfang an rechtswidrig war. Denn es stimmte nicht, wie behauptet wurde, dass er sich den Behörden entzogen hat. Es war ja bekannt, dass er Oranienplatz-Flüchtling ist und danach in einer vom Senat gestellten Unterkunft wohnte.

Bedeutet diese versuchte Abschiebung, dass der Senat das Abkommen mit den Flüchtlingen gebrochen hat?

Aus meiner Sicht ist es ein Bruch, weil der zuständigen Senatsverwaltung für Inneres bekannt war, dass mein Mandant in Abschiebehaft saß – und sie nicht versucht hat, ihm zu helfen.

Die Innenbehörde sagt, das Abkommen werde eingehalten. Der vereinbarte Abschiebeschutz gelte aber nur während der Einzelfallprüfung.

Das ist absurd, offiziell können ja erst seit Mittwoch Anträge gestellt werden! Man kann doch nicht sagen, der Schutz gilt erst ab der Prüfung des Falls – und vorher können alle abgeschoben werden. Unabhängig davon habe ich am Dienstag per Fax einen Antrag bei der Ausländerbehörde gestellt. Diese hätte also einen Tag Zeit gehabt, aktiv zu werden. Aber auch das ist nicht erfolgt.

Die Integrationsbeauftragte sagt, Ihr Mandant habe Berlin und damit den Geltungsbereich des Abkommens entgegen dem Rat der vom Senat bestellten Berater verlassen – nur deshalb sei er in Haft gekommen.

Aus Sicht meines Mandanten stellt sich das anders dar. Er hat von Berlin eine Unterkunft bekommen, ist hier offiziell angemeldet und hat eine Karte, die ihn als Teilnehmer des Verfahrens ausweist. Als die Information kam, er muss nach Burg zur Verlängerung seiner Duldung, hat er das natürlich getan. Senatorin Kolat hat doch gesagt, es gibt einen Abschiebeschutz.

Die Einzelfallprüfungen beginnen nun. Was erwarten Sie?

Mein Eindruck ist, dass das Land Berlin den Leuten nicht wirklich eine Lösung anbieten will. Vielleicht können wir Anwälte für die Schwerstkranken etwas rausholen. Aber für die anderen wird es sehr schwer. INTERVIEW: SUM