: Die Tür schließt sich
AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER
Tony Blair hatte es offenbar eilig, aus der Gesellschaft seiner 24 EU-Kollegen fortzukommen. Er wartete das Ende des Gipfels gar nicht ab, sondern fuhr am späten Vormittag weiter nach Ankara. Danach wird er den Nahen Osten bereisen. Damit machte er auch symbolisch klar, wo für ihn die Prioritäten europäischer Politik liegen: nicht in einer inneren Festigung, sondern in den Außenbeziehungen und der strategischen Ausdehnung der EU Richtung Südosten. Der Gipfel habe eine „starke Botschaft für künftige Erweiterungsrunden“ ausgesandt, erklärte Blair. „Wir sollten der Türkei nicht die Tür vor der Nase zuschlagen. Ihr Beitritt hat Signalwirkung für den Westen und für die muslimische Welt.“ Kurz zuvor hatten sich die Staats- und Regierungschefs der 25 EU-Länder auf höhere Hürden für die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten gesetzt und zudem offiziell abgenickt, dass die Beitrittsgespräche mit der Türkei teilweise auf Eis liegen.
Es gehört jedoch zu den Besonderheiten derartiger Gipfelveranstaltungen, dass jeder Teilnehmer nur zur Kenntnis nimmt, was in seine Linie passt und daraus die Botschaft ableitet, die zu Hause gehört werden soll. Deshalb betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel, man habe sich darauf geeinigt, künftig mehr darauf zu achten, ob die EU neue Mitglieder verkraften kann und auch die Beitrittsreife der Kandidaten strenger zu prüfen. „Das Kriterium Aufnahmefähigkeit gewinnt an Bedeutung. Sowohl die institutionelle als auch die finanzielle und politische Handlungsfähigkeit der EU muss gewährleistet bleiben.“
Zur Beitrittsreife heißt es in dem von den Regierungschefs verabschiedeten Papier: „Schwierige Fragen wie die Reform von Verwaltung und Justiz und die Bekämpfung der Korruption werden frühzeitig behandelt. Die Union wird erst dann Termine für einen Beitritt festlegen, wenn die Verhandlungen kurz vor dem Abschluss stehen.“
Auch Frankreichs Präsident Jacques Chirac betonte, künftig müsse die EU vor neuen Erweiterungsrunden drei Bedingungen erfüllen: Die öffentliche Meinung müsse positiv sein, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die finanzielle Lage müssten stimmen.
Treffen zur Verfassung
Bundeskanzlerin Merkel strich mehrfach heraus, dass eine Reform der europäischen Institutionen unverzichtbar sei, wenn die Union erweiterungsfähig bleiben wolle. Am Rande des Gipfels wurde ein Brief bekannt, in dem die Außenminister von Luxemburg und Spanien die Europaminister der Länder, die bereits die Verfassung ratifiziert haben, zu einem Treffen am 26. Januar nach Madrid einladen. Damit solle selbstbewusster als bislang die Position der 18 Länder herausgestellt werden, die eine Verfassung in der jetzt vorliegenden Form wollen. In einer zweiten Runde am 27. Februar sollen in Luxemburg die Zögerer ins Boot geholt werden. Dazu zählen Frankreich und die Niederlande sowie Polen, Großbritannien und Tschechien.