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Archiv-Artikel

Schwarz-Grün bei S-Bahn einig gegen SPD

PARLAMENT Die Abgeordneten streiten darüber, wer Schuld trägt an der Misere bei der S-Bahn. CDU übt den Schulterschluss mit den Grünen, SPD kontert mit Attacke auf grüne Spitzenkandidatin Renate Künast

Jetzt sind sie schon in ihren Reden stellenweise wortgleich: Einig haben CDU und Grüne im Abgeordnetenhaus die SPD und den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit wegen des S-Bahn-Chaos attackiert und ihm Versagen vorgeworfen. In der zentralen Diskussion der Plenarsitzung, der Aktuellen Stunde, räumten beide zwar ein, dass die Deutsche Bahn die Hauptschuld an der Misere trage. „Aber man muss feststellen, dass nur in Berlin ein solch dramatisches Versagen stattfindet“, sagte Grünen-Fraktionschefin Pop, „in München, in Hamburg fährt die S-Bahn geräuschlos.“ Genauso hatte sich zuvor ihr CDU-Kollege Frank Henkel geäußert.

Henkel und die Union nutzten die Diskussion, um die Politik des rot-roten Senats abzuwatschen. „Die S-Bahn ist ein Sinnbild dafür, was in den letzten zehn Jahren unter Ihrer Führung kaputtgegangen ist“, rief Henkel Regierungschef Wowereit zu. Mehrfach beklatschten Grüne seine Äußerungen – etwa als Henkel sagte, die Situation sei Wowereit längst entglitten.

Diese einmütige Kritik von links wie rechts – die SPD sitzt im Parlament zwischen CDU und Grünen – schien durchaus Wirkung zu hinterlassen. Als kurz darauf der grüne Haushaltsexperte Jochen Esser zu einem mehrminütigen Gespräch in die erste Reihe der CDU-Fraktion neben Henkel wechselte, ließ das den SPD-Abgeordneten und Verkehrsexperten Christian Gaebler am Mikrofon innehalten: „Ich will die schwarz-grüne Annäherung nicht stören.“

Gaeblers Rede ließ erkennen, wen die SPD vor der Wahl im September als wirklichen Gegner sieht und wen nicht: allein die Grünen und ihre Spitzenkandidatin Renate Künast. Denn sie und nicht die CDU attackierte Gaebler. Künast sei schließlich Bundesministerin gewesen, als das rot-grüne Kabinett die Bahn-Strategie abnickte, die zum S-Bahn-Chaos führte.

Gaeblers erkennbare Strategie: Gar nicht bestreiten, dass die SPD zwischen 1998 und 2009 alle Bundesverkehrsminister stellte, aber klarmachen, dass die Berliner SPD nicht dabei war – anders als die Berliner Grünen mit ihrer heutigen Frontfrau. „Frau Künast war dabei, Frau Künast hat nichts dagegen gemacht, Frau Künast trägt Verantwortung“, hämmerte Gaebler.

Den Grünen hielt er generell vor, sich bei vielen Problemen einen schlanken Fuß zu machen. In einem möglichen Regierungsbündnis nach der Wahl – Künast hat mehrfach von der größten Schnittmenge mit der SPD gesprochen – soll das nicht länger möglich sein. „Wenn die Linie ist, dass die Grünen für alles Schöne und Gute zuständig sind und die SPD für alles Schlechte – dann werden wir ein paar Schwierigkeiten bei den Koalitionsverhandlungen bekommen“, sagte Gaebler. STEFAN ALBERTI