: Stararchitekt steigt Mehdorn aufs Dach
Architekt von Gerkan will die Bahn nach seinem Erfolg im Streit um die Flachdecke jetzt wegen der Kürzung des Hauptbahnhofdachs verklagen. Bahnchef gibt Mehrkosten von über 100 Millionen Euro für die Luxusstation zu
Die beiden Sturköpfe sind längst nicht fertig miteinander. Nachdem ein Gericht Bahnchef Hartmut Mehdorn dazu verdonnerte, im Untergeschoss des Hauptbahnhofs doch eine Gewölbedecke einzuziehen, bahnt sich bereits der nächste Rechtsstreit an. Jetzt will der Architekt Meinhard von Gerkan erreichen, dass die Bahn das verkürzte Ost-West-Dach verlängert. Er prüfe, wegen der Verkürzung zu klagen, kündigte von Gerkan am Wochenende in Zeitungsinterviews an. Kurz nach dem Deckenurteil Ende November hatte der Architekt dies noch ausgeschlossen.
Zumindest juristisch wird der Bahnhof also eine Dauerbaustelle bleiben. Und beide Seiten munitionieren sich neu mit altbekannten Argumenten. Die Flachdecke, ein langweiliges Lochstahlkonstrukt, durch ein teures Gewölbe zu ersetzen, würde zu Kürzungen bei „anderen, dringenden Bahnhofsvorhaben“ führen, schreibt Mehdorn in einem Brief an ein Haushaltsausschussmitglied des Bundestages. Laut Bahn würde der Austausch 40 Millionen Euro kosten. Bis in die letzte Instanz werde man daher das Urteil anfechten, so Mehdorn. Wann die Bahn Berufung einlegen will, konnte eine Sprecherin gestern nicht sagen: „Das Urteil ist uns bisher nicht zugegangen. Wir konnten noch nicht mit der Prüfung beginnen.“
Von Gerkan wertet den Erfolg vor dem Landgericht als wichtige Stärkung des Urhebers gegenüber dem Bauherrn. Und fühlt sich wohl so beflügelt, dass er die von außen viel offensichtlichere Änderung an seinem Projekt rückgängig machen möchte: die Amputation des Dachs von 451 Metern auf 321 Meter, die manche ICE-Reisende buchstäblich im Regen stehen lässt. Der Haushaltsausschuss des Parlaments will Mitte Januar über den überteuerten Bahnhof beraten.
In seinem Brief versucht Mehdorn schon vorab, die Ausschussmitglieder von seiner Lesart zu überzeugen. Als er im Jahr 2000 als neuer Vorstandsvorsitzender das Projekt übernahm, habe eine Prüfung „erhebliche Fehlentwicklungen bei den laufenden Kosten“ und eine Zeitverzögerung beim Bau ergeben, „die zu einer Fertigstellung im Jahr 2008 geführt hätte“, schreibt Mehdorn. Der Bahnhof sollte aber pünktlich zur Fußball-WM im Sommer 2006 fertig sein.
Mehdorn argumentiert: Mit von Gerkans ursprünglichem Konzept wäre dieses Ziel, das nach Gesprächen mit allen Beteiligten „oberste Priorität“ gehabt habe, nicht zu schaffen gewesen. Deshalb speckte die Bahn ab. Luxusausstattungen wie Designerleuchten und Parkettfußböden wurden angepasst, so Mehdorn. „Allein die Verlängerung der Bauzeit um ein Jahr hätte einen wirtschaftlichen Schaden von rund 100 Millionen Euro bedeutet.“ Erstmals bestätigt der Bahnchef auch, was längst die Spatzen vom Dach der Luxusstation pfiffen: Der Bahnhof ist viel teurer geworden als die geplanten 700 Millionen Euro. Mehdorn spricht vage von einem „dreistelligen Millionenbetrag“. In den vergangenen Monaten hatte der bundeseigene Konzern zu möglichen Kostensteigerungen geschwiegen. ULRICH SCHULTE