: Teilen, herrschen und sterben
Die Grünen müssen sich spalten. Seit neun Monaten spielt die Partei an sich herum, und für sie selbst mag das auch mit Lustgewinn verbunden sein. Aber seit der Bundestagswahl, seit dem Veggie-Day-Desaster – der Katastrophe ist die Posemuckeligkeit der ganzen Auseinandersetzung schon im Namen eingeschrieben – macht niemand den notwendigen Schritt. Eine Teilung muss her: in Kümmerer und Libertäre.
Einige Grüne mit Macht möchten gern die lernfähigen Reste der FDP mitnehmen in Richtung Zukunft. Als Teil einer libertären Partei, der Freiheit, selbstbestimmtes Leben, das Lösen von überkommenen Vorstellungen mehr bedeutet, als der politische Arm der Zeitschrift Landlust zu sein.
Oh nein, rufen da aber andere Grüne mit noch mehr Macht – der Weg der FDP führt in die Sackgasse! (Danke für den Hinweis, das Wahlergebnis 2013 wurde landesweit zur Kenntnis genommen.)
Rainer Brüderle, den Politiker, werden tatsächlich nur wenige vermissen. Der Mann hat ein Buch geschrieben und darf mit Christian Wulff, seit dieser Woche ebenfalls Autor, gern eine neue Gruppe 47 aufmachen. Zusammen mit der ebenfalls in der Neu- und Selbstfindung aktiven Band „Böhse Onkelz“, mit der die Herren ein von Selbstmitleid triefender Sound verbindet.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger allerdings und ihre Bereitschaft, die Freiheit auch der Deutschen zu verteidigen, die das Wort FDP eher spucken als sagen – die ist durchaus vermissenswürdig. Sie hat die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nicht umgesetzt. Gegen den Koalitionspartner Union in der damaligen schwarz-gelben Koalition, gegen das öde „Brüssel-hat-es-befohlen“-Geschrei. Welcher Grüne hätte diese Standfähigkeit besessen?
Seit den ersten Debatten über Vorratsdatenspeicherung und Bundestrojaner beantwortet dieser Staat die Frage, ob er seinen Bürgern ein grundsätzliches Vertrauen entgegenbringt, mit Nein. Das ist die Aufkündigung eines Vertragsverhältnisses; und eine Partei, die diesem Staat den Mangel an Vertrauen einiger seiner Bürger von links zwar deutlich, aber anregend zurückspiegelt, wäre sehr willkommen. Eine Partei mit einem Bild vom Menschen, der zwar erkennt, dass es Terror gibt, und der nicht so blöd ist, dessen Gefahren zu leugnen, der aber deshalb nicht beständig an die Hand genommen und so ausgiebig beschirmt werden möchte, dass er die Sonne nicht mehr sieht.
Ein Konservativer wie Frank Schirrmacher hat das besser erkannt und konsequenter gedacht als viele Linke. Auch deshalb war die Trauer so ehrlich und so unabhängig von Parteizugehörigkeit und politischem Geschmack, als bekannt wurde, dass er am Donnerstag verstorben ist. Schirrmacher war, abgesehen vom Ton, kein Apokalyptiker, sondern einer, der den Wert persönlicher Freiheit, des freien Spiels von Gedanken und Worten, hoch geschätzt hat.
Es gibt solche Leute bei den Grünen, es gibt ebenso jene mit libertären Ansätzen in puncto Sexualität und Drogenpolitik, um nur zwei Themen zu nennen.
Macht also endlich euren eigenen Laden auf!
Die Ökobetreuer und Energieumsorger können dann gänzlich unbelastet gen Neobiedermeier marschieren.
Freiheit und Gerechtigkeit sind meist als Gegensatz gedacht. Tatsächlich wird es der Ersteren schnell stickig, wenn Letzterer zu sehr zu ihrem Recht verholfen wird. Mit ihrer Du-sollst-Attitüde sind die Grünen zu weit in die Intimsphäre zu vieler Menschen eingedrungen.
Will man von der NSA nicht haben, von Anton Hofreiter aber halt auch nicht.
Der für den Herbst angedachte grüne Freiheitskongress wird daran nichts ändern. Selbst große Denker wie Richard Rorty haben Gerechtigkeit und Freiheit, Pflegen und Hegen einerseits und Wachsenlassen andererseits nicht wirklich zusammenbekommen. Es wäre übrigens eine ebenso nette wie sinnvolle Geste, würde die neue libertäre Linke nach der FDP auch noch kurz bei den Piraten vorbeigehen; auch da gibt es noch ein bisschen was zu holen.
Das Projekt könnte allerdings noch an der Spaltungskompetenz der Grünen scheitern. Zwar wird Linken eigentlich ein starker Hang zur Trennung nachgesagt, der letzte Erfolg liegt jedoch schon eine Weile zurück. Das war der Auszug der Unzufriedenen aus der SPD gen PDS. Der unter anderem zur Folge hat, dass es für die Mehrheit der Bevölkerung, die keine deutschen Soldaten in irgendwelchen Kriegen haben möchte, eine einigermaßen stabile Vertretung in den Parlamenten gibt. Das kann man schätzen, auch wenn man die Haltung nicht teilt.
Die SPD hingegen, ihrer Unzufriedensten entledigt, ist inzwischen sogar wieder an der Macht. Teile und herrsche.
DANIEL SCHULZ