Kliniken prüfen erstreikte Lohnerhöhung

Haben die Ärzte im Sommer vergeblich gestreikt? Die Kliniken der Region Hannover prüfen, ob sie neue Tarife zahlen müssen. Der Marburger Bund droht erneut mit Streik, ein kritischer Arzt wird suspendiert

Die Arbeitgeber fanden ihn „schmerzhaft“, der Marburger Bund sprach von einem „Meilenstein“: Nach acht Wochen Streik hatten sich die Ärztegewerkschaft und die kommunalen Arbeitgeber im August auf einen Abschluss an den kommunalen Krankenhäusern in Deutschland geeinigt. Doch nicht überall soll es zu den vereinbarten Lohnerhöhungen in Höhe von zwischen 1,5 und 13 Prozent kommen, die rückwirkend ab August gelten. Bislang weigert sich das „Klinikum Region Hannover“ mit seinen rund 12 Krankenhäusern, die Lohnerhöhungen für seine rund 1.000 Ärzte zu zahlen.

Erst Ende November hatten Marburger Bund und kommunale Arbeitgeberverbände den Tarifvertrag endgültig gebilligt. In den nächsten Tagen wollen die Kliniken prüfen lassen, ob die Vereinbarung nicht durch einen vor drei Jahren abgeschlossenen Tarifvertrag ausgehebelt werden kann.

Das könnte laut dem Abschluss vom 17. August dann der Fall sein, wenn die alte Vereinbarung, die den 7.000 Beschäftigten bis 2012 Kündigungsschutz gewährt, als „Notlagenregelung“ gewertet wird. Für „sehr spitzfindig, wenn nicht gar abwegig“ hält das Wolfgang Boss, Landes-Geschäftsführer des Marburger Bunds.

Wenn die erstreikte Lohnerhöhung ausfiele, wäre das nicht nur „sehr demotivierend“ für die Ärzte, betont Boss. „Außerdem“, kündigt er an, „könnte sich dann zunächst ein juristischer, vielleicht sogar erneut ein echter Arbeitskampf abzeichnen.“

Wie ernst es die Klinikleitung mit ihren Ankündigungen meint, musste unlängst ein Assistenzarzt des Oststadtkrankenhauses erfahren: Nachdem er den Personalchef der Regions-Kliniken in einem internen Internet-Forum von Ärzten als „unfähig“ bezeichnet hatte, wurde er vom Dienst suspendiert. Der Arzt hat drei Kinder. Der Personalchef hatte zuvor öffentlich die rechtliche Überprüfung der Zahlungsverpflichtung gebilligt – die Kliniken müssten sparen.

Tatsächlich stehen die Klinik-Bosse unter Druck: Allein in diesem Jahr dürften die Krankenhäuser der Region 15 Millionen Euro Miese einfahren. Dabei sollen sie nach Vorgaben der Politik ab 2009 schwarze Zahlen schreiben.

In wenigen Wochen soll mit dem Betriebsrat verhandelt werden, eine Senkung der Arbeitszeit bei entsprechendem Lohnverzicht ist im Gespräch – für Pflegekräfte. „Einen Personalüberhang“, sagt Boss, „gibt es nur in der Verwaltung.“

KAI SCHÖNEBERG