TOTENKOPF-SKANDAL: WER AN EINZELFÄLLE GLAUBT, SCHEUT KONSEQUENZEN
: Illusionen in Uniform

Die Empörung der politischen Führungsspitze über makabre Spiele deutscher Soldaten mit einem Totenschädel in Afghanistan hat mehrere Aspekte. Nicht alle sind beruhigend. Erfreulich ist es, dass Kanzlerin und Verteidigungsminister keinen Zweifel daran gelassen haben, dass solche Vorfälle nicht als postpubertäre Bagatellen zu werten sind, sondern ernst genommen werden müssen.

Aber: ernst nehmen im Hinblick worauf? Da wird es leider ziemlich schwammig. Die fassungslosen Reaktionen der Bundesregierung dürften bei Nato-Partnern auf Irritation gestoßen sein. Die Deutschen schienen sich nämlich zuvor der Hoffnung hingegeben zu haben, dauerhaft vor derlei Entgleisungen gefeit zu sein – und das, obwohl sogar noch dramatischere Vorfälle in den Reihen verbündeter Streitkräfte bekanntgeworden sind. Wenn man eine solche Hoffnung nicht begründet, dann wirkt sie reichlich arrogant.

Nun hätte es allerdings durchaus Möglichkeiten gegeben, diese Hoffnung zu begründen. Das Prinzip der Inneren Führung, das ein Bild vom Soldaten als einem mündigen Staatsbürger in Uniform zeichnet und das als Reaktion auf deutschen Militarismus entwickelt wurde, ist eine deutsche Besonderheit. Sie hat ja gerade zum Ziel, einer Verrohung der Armee entgegenzuwirken. Das Problem ist nur: Ein solches Konzept lässt sich in der friedlichen Heimat besser verwirklichen als in einem Krisengebiet.

Ein Klima von Gewalt und Angst zieht häufig eine Brutalisierung nach sich – nicht nur bei Bundeswehrsoldaten. Davon war jedoch in all den empörten Stellungnahmen nicht die Rede. Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan will nun Konsequenzen bei der Dienstaufsicht und der Ausbildung ziehen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber er wird wenig nützen, wenn man zäh an der Illusion festhält, es habe sich in Afghanistan lediglich um ein seltsames Fehlverhalten von Einzelnen gehandelt. Und nicht um ein grundsätzliches Problem. Falls das so bleibt, wird der nächste Skandal nicht lange auf sich warten lassen.

BETTINA GAUS