Diskutieren mit den rechten Knackis

Brandenburg zieht eine positive Bilanz der Gesprächsrunden für junge Straftäter. Das Prinzip „subversive Verunsicherung“ soll Rückfallquoten senken und andere Häftlinge vor Beeinflussung bewahren. Andere Bundesländer wollen jetzt nachziehen

AUS BERLIN ASTRID GEISLER

Er hat den Wachmann eines Heims für Asylbewerber zusammengeschlagen, und er weiß warum. „Es sind einfach zu viele von denen hier“, sagt der jugendliche Häftling. „Wie viele Ausländer gibt’s denn bei euch?“, fragt die Pädagogin. Die Antwort fällt kleinlaut aus: „Na, gar keine.“

Die Szene stammt aus einem Film über ein Modellprojekt mit rechtsextremen Jugendlichen in brandenburgischen Gefängnissen. Sie veranschaulicht, wie dort in den vergangenen sechs Jahren spezielle Gesprächsrunden mit insgesamt 156 jungen Straftätern organisiert worden sind, allesamt im Alter zwischen 17 und 21 Jahren. Das Motto: „subversive Verunsicherung“.

Gestern zog Brandenburgs Justizministerin Beate Blechinger (CDU) gemeinsam mit den Organisatoren des Programms Bilanz. Das vor allem auf junge Mitläufer ausgerichtete Projekt habe sich als „sehr erfolgreich“ erwiesen. Inzwischen gebe es sogar Wartelisten für die rein freiwilligen Antirechtskurse. „Es besteht die Gefahr, dass die ideologischen Hardliner den Ton angeben und sich die Einstellungen der jungen Leute in der Haft sogar noch verfestigen“, sagte Blechinger. Daher sei es wichtig, professionell gegenzusteuern.

Diese Ansicht teilt auch Ulrich Dovermann von der Bundeszentrale für politische Bildung, der das Projekt unter anderem mit dem Berliner Archiv der Jugendkulturen entworfen hat. Er warnte gestern vor dem Risiko, dass die Rechten andere Insassen mit ihrer Gesinnung infiltrierten. Dennoch habe sich vor sechs Jahren allein Brandenburg zu einem Programm für inhaftierte Jungnazis bereiterklärt. Dort hatte eine Studie ergeben, dass 25 bis 30 Prozent aller jungen Häftlinge zur rechten Szene gehörten.

Wie viele der 156 freiwilligen Teilnehmer des Brandenburger Knastprojekts sich tatsächlich dauerhaft von dem Neonazi-Gedankengut verabschiedet haben, wissen die Organisatoren nicht. Nach der Entlassung verlieren sich meist die Spuren der Ex-Häftlinge. Allerdings nahmen inzwischen 39 Jugendliche freiwillig eine Nachbetreuung durch die Kursleiter in Anspruch. Nur vier seien bisher wieder straffällig geworden. „Verglichen mit normalen Rückfallquoten ist das wenig“, sagte Helmut Heitmann vom Archiv der Jugendkulturen.

Angesichts des Zuspruchs wollen die Organisatoren das bisher 1,8 Millionen Euro kostende, von verschiedenen Trägern finanzierte Projekt im kommenden Jahr fortführen – und zudem exportieren, unter anderem nach Sachsen-Anhalt, Hamburg und Bremen. Denn inzwischen haben offenbar auch andere Länder erkannt, dass es sich lohnen kann, junge Rechtsextreme im Knast nicht sich selbst und anderen Neonazis zu überlassen.

Aber auch Brandenburg wird Lehren aus dem Projekt ziehen, wie Manfred Koldehoff vom Justizministerium ankündigte. Die Nachbetreuung junger Ex-Knackis solle ausgebaut werden, zudem wolle man die Besuchszeiten im Gefängnis verdoppeln und den Datenschutz lockern – damit man künftig genauer untersuchen könne, was tatsächlich aus den Jugendlichen wird, wenn sie nach draußen entlassen sind.