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Archiv-Artikel

Der Weihnachtsfranz

Was sich SPD-Vizekanzler Franz Müntefering auf Heimatbesuch im Düsseldorfer Landtag wünschte

Santa Münte war da. Der Bundesarbeitsminister sah nicht aus wie ein Weihnachtsmann. Aber mit seinem roten Schal machte Franz Müntefering schon einen festlichen Eindruck, wie er da gestern durch das Foyer des Düsseldorfer Landtags huschte – mit hastigen Schritten. Drei wohlgenährte Kinder mit Migrationshintergrund erkannten den Promi. Sie lachten und winkten. Müntefering sah die Kinder und ging mit seinem Schal auf sie zu. Geschenke hatte er nicht dabei, aber freundliche Worte. „Schön mal wieder hier zu sein“, sagte Müntefering. Die Migrantenkids auf Landtagsbesuch freuten sich – von der Rente ab 67 hat ihnen der Sauerländer wohl nichts erzählt.

Vor der Landespressekonferenz präsentierte Müntefering gemeinsam mit der designierten SPD-Landeschefin Hannelore Kraft seinen Wunschzettel für 2007. In abgehacktem Münte-Deutsch wünschte er sich für das kommende Jahr: Sockelbergbau jawoll, Mindestlohn gut, soziales Europa auch – und ein guter Start für Kraft. Nicht haben will der Minister: Rüttgers‘ „unsoziale“ Hartz-IV-Revision, NRW-Kahlschläge beim Personalvertretungsrecht und Kritik am Bergbau. „Steinkohle ist Hochtechnologie und Öl geht zu Ende“, sagte er. Alle, die das anders sähen, sollten öfter mal „einfahren“. In der Landtagsfraktion sei Münteferings Besuch gut angekommen, so Kraft.

Es war Münteferings erster Auftritt bei den Landtagsgenossen seit Jahren. Nach seinem Rückzug vom Amt des NRW-Parteivorsitzenden im Jahr 2001 hatte sich der Sauerländer komplett aus der Landespolitik herausgehalten. Als NRW-SPD-Chef war Müntefering mit vielen Parteifreunden aneinandergeraten, weil er unerbittlich die Zerschlagung der alten Parteibezirke durchgesetzt hatte. Noch heute wird das Wort „Organisationsreform“ von SPD-Funktionären ausgespuckt, als redeten sie von einer ansteckenden Krankheit. Die Entmachtung der Bezirke gilt als eine Ursache für den Niedergang der SPD in ihrem alten Herzland. Auch die parteisoldatische Art, mit der Münte in Berlin Gerhard Schröders Agenda 2010 exekutierte, verstärkte die Entfremdung zwischen ihm und seinem Landesverband.

Den Tiefpunkt erreichte die Beziehungskrise nach der Bundestagswahl 2005. Zahlreiche NRW-Genossen protestierten im SPD-Bundesvorstand gegen Münteferings Vorschlag, seinen langjährigen – ebenfalls aus NRW stammenden – Gehilfen Kajo Wasserhövel zum Generalsekretär zu wählen. Vor allem die Parteilinke rebellierte – und Müntefering trat als Bundeschef zurück. Seitdem macht sich der Mann aus Neheim-Hüsten an Rhein und Ruhr noch rarer.

Müntefering dagegen sprach gestern von einer „ganz engen Beziehung“ zwischen ihm und seiner Landespartei. Gewiss, der Machtverlust am 22. Mai 2005 sei ein „tiefer Einschnitt“ gewesen. Aber jetzt habe man den „neoliberalen Zeitgeist“ gestoppt und er sehe eine „breite Schneise für SPD-Politik“. Dann musste Müntefering wieder weg – vor dem Landtag lief schon der Dienstwagen mit Berliner Kennzeichen warm. MARTIN TEIGELER