: Steilvorlage für ein Eigentor
DEMOGRAFIE Brandenburgs Bevölkerung schrumpft. Nun hat der Fußball-Landesverband zur neuen Saison die Kreiszuschnitte für die Ligen verändert. Die Folge: weite Wege für die Amateure zu den Spielen am Wochenende
VON TORSTEN HASELBAUER
„Wo geht die Reise hin?“ Das werden sich viele Teams im Brandenburger Amateurfußball zu Beginn der neuen Saison fragen. Und zwar in ganz wortwörtlichem Sinne: Denn fortan werden einige unbekannte Gegner auf die Kicker warten. Der Fußball-Landesverband Brandenburg (FLB) hat sich und seinen Vereinen eine neue Struktur verpasst. Am 1. Juli tritt sie offiziell in Kraft.
Aus 17 kleineren Fußballkreisen werden dann 8 neue Großkreise, in deren Grenzen fortan Fußball gespielt wird. „Die Strukturreform war nötig und richtig, um den Spielbetrieb in Brandenburg langfristig zu sichern“, erklärt der FLB-Geschäftsführer Michael Hillmann.
Der Nachwuchs fehlt
Es ist die zweite große Verbandsreform im Brandenburger Fußballsport. Die erste datiert aus dem Jahre 1992, als sich der ostdeutsche Fußballsport mit der Wiedervereinigung neu aufstellen musste. Nun, 22 Jahre später, ist es wieder so weit.
Denn inzwischen hat sich der Fußball in Brandenburg deutlich gewandelt. Der Grund dafür ist die demografische Entwicklung. In dem Flächenland Brandenburg leben aktuell 2,4 Millionen Einwohner. Jedes Jahr verliert die Mark aber rund 10.000 Menschen. Nach der aktuellen Bevölkerungsprognose wird sich der seit 2001 zu verzeichnende Bevölkerungsrückgang fortsetzen – und bis zum Jahr 2030 rund 253.000 Personen betragen: Das sind rund zehn Prozent.
„Der stetige Bevölkerungsrückgang vor allem im Berlin-fernen Raum hat den Vereinen kräftig zugesetzt. Es fehlt der Nachwuchs. Manche Klubs haben sich zu Spielgemeinschaften zusammengeschlossen. Andere haben sich wegen des Mitgliederrückgangs ganz abgemeldet“, sagt FLB-Geschäftsführer Michael Hillmann. Darauf reagierte der Verband mit der Zusammenlegung der Kreise und Ligen.
Die Zahlen sprechen dafür, dass dieser Schritt notwendig war. Derzeit kicken zwar noch über 100.000 Brandenburger in 688 Vereinen – vor zehn Jahren aber waren es 50 Klubs mehr. Zuwächse verzeichnet der organisierte Fußball allenfalls noch bei den „Alten Herren“ oder im Speckgürtel von Berlin.
Dem Fußballfunktionär Hillmann und seinem Verband geht es mit der Verbandsreform um nicht weniger als die „Zukunftsfähigkeit“ des Amateurfußballs in Brandenburg. Dafür sind Hillmann und sein Präsident Siegfried Kirschen rund zwei Jahre lang über das weite, platte Fußballland Brandenburg gefahren. Unermüdlich haben sie für ihre Reform geworben.
Die kräftezehrende Tour hatte schließlich Erfolg. Auf dem außerordentlichen Verbandstag des Fußball-Landesverbandes Brandenburg Anfang März vergangenen Jahres in Kienbaum wurde die Strukturreform mit Beginn der Spielzeit 2014/2015 beschlossen. Sie beinhaltet neben der Reduzierung der Fußballkreise auch eine deutliche Verschlankung der Ligen. Im Herrenbereich werden zum Beispiel ab der kommenden Saison unterhalb der Brandenburg-Liga – also der sechsten Liga – die bisher zwei Landesliga-Staffeln auf eine Landesklasse-Staffel geschrumpft.
Das Gros der Delegierten stimmte in Kienbaum dafür – es gab nur eine Gegenstimme. Die kam aus dem Fußballkreis Märkisch-Oderland. Ein Kreis mit 5.500 Mitgliedern in 54 Vereinen. „Unser Kreis war groß genug, um einen vernünftigen Spielbetrieb zu gewährleisten. Und zwar für die Männer-, Frauen- und Jugendteams. Eine Fusion mit einem Nachbarkreis war nicht nötig“, sagt der Kreisvorsitzende Bernd Miserius.
Hohe Spritkosten
Was viele Brandenburger Vereine zum Anpfiff der neuen Spielzeit im August erwartet, erklärt der 58-jährige ehrenamtliche Fußballfunktionär exemplarisch für seinen Kreis. Der Fußballkreis Märkisch-Oderland fusioniert mit dem Kreis Oder/Neiße-Spree. Die Vereine spielen fortan in einer Klasse. „Unsere Klubs werden zur neuen Saison für ein Spiel schon mal mehr als 120 Kilometer bis zur polnischen Grenze nach Guben fahren müssen. Das heißt sehr frühes Aufstehen und hohe Spritkosten. So macht Fußball wenig Spaß“, sagt Miserius.
Auch den Schiedsrichtern werde es vor den langen Überlandfahrten quer durch die Mark nicht ganz wohl sein, mutmaßt der Bahnangestellte. Und so manche Eltern, die ihren Fußballnachwuchs durch die Gegend fahren, schimpfen schon jetzt. Viele Fußballanhänger befürchten in Zukunft eine Schwächung des Kinder- und Jugendfußballs und die Zentralisierung des Brandenburger Fußballs in den größeren Städten.
„Intelligenter Spielbetrieb“
Die Aufrechterhaltung eines „intelligenten Spielbetriebs“ verspricht indes das Strukturpapier des Fußball-Landesverbandes Brandenburg. Der 1990 gegründete Verband ist von seiner Reform fest überzeugt. „Es war ein Meilenstein“, so Geschäftsführer Hillmann. Nebenbei hat Brandenburg so den sogenannten Masterplan des Deutschen Fußballbundes (DFB) quasi vorausschauend umgesetzt. Im Herbst 2013 kam man auf dem DFB-Bundestag zu dem Schluss, dass nur noch Fußballkreise mit 80 bis 120 Vereinen als „effektiv“ einzuschätzen seien.