: Vormarsch auf Bagdad gestoppt
IRAK Schiitische Politiker mobilisieren Freiwillige für den Kampf
ISTANBUL taz | Nach der blamablen Schlappe gegen Extremisten und Aufständische hat die Regierung in Bagdad am Wochenende zum Gegenangriff geblasen. Verstärkt durch schiitische Milizionäre haben Soldaten nördlich der Hauptstadt mehrere Kleinstädte unter ihre Kontrolle gebracht. Die irakische Regierung habe die Initiative zurückgewonnen, sagte Armeesprecher Generalmajor Qassim Atta.
Die nordirakische Stadt Mosul und das zentralirakische Tikrit befinden sich freilich weiterhin in den Händen des Islamischen Staats im Irak und in Syrien (Isis). Die Extremisten konterten die Behauptung von Atta mit triumphalen Erfolgsmeldungen ihrerseits. Tell Afar, eine strategisch wichtige Stadt westlich von Mosul, sei „befreit“, behaupteten sie am Sonntag.
Zudem kam es an der iranischen Grenze zu heftigen Zusammenstößen. Dabei bombardierte die irakische Luftwaffe in Jalawla offenbar versehentlich eine Stellung von Peschmerga, den kurdischen Kämpfern. Sechs Peschmerga starben und 30 weitere wurden verletzt, wie kurdische Medien berichteten. Jalawla ist wie Kirkuk, das die Kurden vergangene Woche unter ihre Kontrolle brachten, zwischen den Kurden und Bagdad umstritten.
Angebote aus dem Iran
Mit Horrorbildern von angeblichen Massenhinrichtungen haben die Extremisten die weit verbreitete Angst unter den Schiiten noch verstärkt. Auf einschlägigen Twitter-Accounts behauptete der Isis, 1.700 Soldaten erschossen zu haben. Ob die Fotos echt sind und ob die Erschießungen überhaupt stattfanden, ließ sich zunächst nicht bestätigen. Sie haben jedoch Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten weiter angeheizt.
Nach dem Vormarsch des Isis überbieten sich schiitische Politiker mit der Aufstellung von Freiwilligenverbänden. Nachdem Großajatollah Ali Sistani, der höchste Geistliche im Irak, die Bürger zur Unterstützung der regulären Sicherheitskräfte aufrief, strömten Zehntausende von Schiiten in Rekrutierungszentren. An vorderste Front nördlich von Bagdad kämpfen Milizionäre, die von Iran ausgebildet wurden. Sie und nicht die Soldaten nahmen am Wochenende offenbar die Stadt Ishak ein.
Unterdessen hat der Iran Bagdad seine Unterstützung angeboten. Präsident Hassan Rohani schloss auch eine Zusammenarbeit mit den USA nicht aus. Darüber könne nachgedacht werden, sagte er am Samstag im Staatsfernsehen. Voraussetzung sei aber, dass die US-Regierung zuerst „Terrorgruppen im Irak und anderswo“ bekämpfe. Am Sonntag warnte Teherans Außenamtssprecher Marsieh Afcham vor einer ausländischen Militärintervention gegen die Aufständischen im Irak. Dies würde die Krise nur komplizierter machen. INGA ROGG
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