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Archiv-Artikel

6.863 schwedische Jäger gegen 20 Wölfe

LIZENZJAGD EU-Kommissar protestiert gegen den Abschuss der vom Aussterben bedrohten Tiere und kündigt eine juristische Prüfung an. Die offiziellen Begründungen für die Notwendigkeit der Jagd sind abstrus

STOCKHOLM taz | „Krieg in den Wäldern“, titelte die Stockholmer Boulevardzeitung Aftonbladet martialisch. Am Samstag eine Stunde vor Sonnenaufgang begann in Schweden die Wolfsjagd. 6.863 Jäger hatten sich die Lizenz besorgt und hofften, einen der 20 zur Jagd freigegebenen Wölfe zu erlegen. Militante Wolfsfreunde hatten mit provokanten Bildern im Internet ebenfalls zur Hatz geblasen: „Stirb, Wolfhasser“ steht auf den T-Shirts der Vermummten, die um einen „toten“ Jäger im blutrot gefärbten Schnee herumstehen. Polizisten führten daraufhin Straßenkontrollen durch, fanden aber nur Feuerwerkskörper. „Wir wollen nur sabotieren, und es geht nicht um Gewalt“, versuchte ein Initiator der „Kämpfer für das Recht der Wölfe“ abzuwiegeln.

Schon wenige Stunden nach Beginn der Jagd waren die ersten neun Wölfe erlegt; die Quote dürfte spätestens am Montag erreicht sein. Wölfe gehören in der EU zu den akut vom Aussterben bedrohten Tieren. EU-Umweltkommissar Janez Potonik hatte in Stockholm deshalb auch vorab gegen die Wolfsjagd protestiert und gewarnt, Schweden habe wegen Verstoßes gegen das Artenschutzabkommen mit einem Verfahren vor dem EU-Gericht zu rechnen. Immerhin soll bei der Jagd ein Zehntel des amtlichen schwedischen Wolfsbestands getötet werden. Dabei sind im vergangenen Jahr bereits 40 Prozent verschwunden – die Tiere wurden Opfer des Straßenverkehrs oder aufgrund individueller Abschussgenehmigungen umgebracht. Tote Wölfe aufgrund von Wilderei sind in dieser Statistik noch nicht einmal berücksichtigt.

Bei der ersten Lizenzjagd im vergangenen Jahr hatte die schwedische Regierung eine angebliche Inzuchtgefahr ins Feld geführt: 15 Prozent des Bestandes sollten geschossen und durch „frisches Blut“ aus Finnland und Russland ersetzt werden. Doch die damals erlegten Tiere waren kerngesund und wiesen keinerlei Zeichen von Inzucht auf. Auch die Einführung des „frischen Bluts“ scheiterte bislang an Bürokratie oder lokalem Widerstand.

Für dieses Jahr gab es deshalb eine neue Begründung: Mit der Jagd solle die Akzeptanz für den Wolf in den betroffenen Regionen gesteigert werden. Jagd als vermeintliche Therapie gegen eine vorwiegend mythologisch begründete Wolfsfurcht? Das lehnte nicht nur Kommissar Potonik als Entschuldigung für einen Verstoß gegen das Artenschutzabkommen umgehend ab. Das Argument zieht auch deshalb nicht, weil alle Umfragen schon jetzt eine mehrheitlich positive Einstellung in der Bevölkerung für den kleinen Wolfsbestand zeigen. REINHARD WOLFF