piwik no script img

Archiv-Artikel

Härtetest für Schwarz-Grün

Mit Hilfe der Grünen war Gerd Schwandner im September für die CDU zum Oldenburger Oberbürgermeister gewählt worden. Beide waren gegen das geplante ECE-Einkaufszentrum. Nun wollen Schwandner und die CDU-Fraktion doch bauen

von KAI SCHÖNEBERG

„Das ECE-Center ist überflüssig wie ein Kropf“, sagte Gerd Schwandner zur taz, als er im September bei den OB-Wahlen in Oldenburg den SPD-Amtsinhaber vom Sockel stoßen wollte. Mit seinem Bekenntnis gegen eine Shoppingmall in der Oldenburger City schaffte es der parteilose Professor aus Karlsruhe auf dem Ticket der CDU, sich zum OB der 160.000 Einwohner-Stadt wählen zu lassen. Nach großem Zaudern hatten sich die Grünen für das lange Undenkbare entschieden: Zum Wahlaufruf für einen Kandidaten der CDU. Im schwarz-grünen Koalitionsvertrag steht: Der Einkaufs-Koloss ECE werde „in Oldenburg nicht gebaut, weil es weder am Schloss und noch weniger an anderen, innenstadtferneren Standorten vertretbar ist“.

Das war am 6. November. Genau sechs Wochen später kippten Schwandner und die gesamte CDU-Fraktion um: Der Rat der Stadt beschloss mit den Stimmen der CDU und der Oppositionsparteien SPD, FDP und Bürgerliste am Montag, bis 2010 eine leicht abgespeckte Version der „Schlossgalerie“ zu bauen, Grüne und Linke stimmten dagegen. Nach langen Verhandlungen und Drohungen von ECE, die Stadt auf Schadensersatz zu verklagen, soll das Einkaufszentrum nun nur noch 12.500 Quadratmeter Verkaufsfläche anstatt 15.300 umfassen. Zudem soll es ein Stockwerk niedriger werden als geplant. Der Abstand zum Stadtschloss wird um zwei auf 42 Meter angehoben, 500 Quadratmeter werden für eine „Kulturlounge“ reserviert. Der ehemalige ECE-Gegner Schwandner will „die Schlosshöfe zu einem großen Gewinn für Oldenburg werden“ lassen. Zur taz sagt er, „was jetzt geplant wird, ist etwas ganz anderes, als ECE ursprünglich bauen wollte“ (siehe Interview unten).

Von „Enttäuschung“ mag die grüne Fraktionschefin Anne Lück gar nicht reden: „Entsetzen beschreibt es am besten“, sagt Lück. Noch am vergangenen Mittwoch habe sich Schwandner gegen das 90-Millionen-Euro-Projekt ausgesprochen. Eine Mitgliederversammlung soll nun beschließen, ob die Koalition fortgesetzt wird. Die Teilhabe an der Macht hatte den Grünen nicht nur eine Bürgermeisterin beschert, auch auf den Posten einer Sozialdezernentin spekulierte die Partei. Mit Schwandner, der als grünes Parteimitglied in den 90er Jahren Staatsrat in Bremen war, hatte Lück vor allem im ökologischen, aber auch im sozialen Bereich noch große Pläne. Nun spricht sie von einem „erheblichen Vertrauensverlust“. Ob sie für die Fortsetzung der Koalition plädieren will, ließ sie gestern dennoch offen. Schwandner will weiter mit den Grünen regieren.

Lange waren die Grünen die eifrigsten Gegner des Einkaufszentrums gewesen, für das sich vor allem der alte SPD-Oberbürgermeister Dietmar Schütz eingesetzt hatte. Ein Bürgerbegehren sammelte 18.000 Stimmen gegen das Projekt, scheiterte aber vor dem Oberverwaltungsgericht. In der Planfeststellung gab es 780 Einwendungen, 120 von 150 Kaufleuten in der Innenstadt votierten per Unterschriften gegen den Kasten aus Glas und Beton – aus Angst vor neuer Konkurrenz. Dann entdeckte der lange farblos gebliebene OB-Kandidat Schwandner das Thema für sich: Mitten im Wahlkampf positionierte er sich plötzlich gegen das ECE-Zentrum. Schützenhilfe kam damals vom Chef der Oldenburger CDU, Lutz Stratmann, der auch Kulturminister in Hannover ist. Das Bauvorhaben in der Nähe des Schlosses sei „mit denkmalpflegerischen Belangen nicht vereinbar“, hieß es damals in einer Stellungnahme der Landesdenkmalschutzbehörde, die Stratmann untersteht.

Nach dem Votum des Stadtrats für die ECE-Pläne gab die Handelskammer ihr Ja für den Bau eines Ikea-Markts in Oldenburg bekannt – die Schweden hatten diese Zustimmung zur Bedingung gemacht.